Heute soll es um sogenannte Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel gehen. Ein hochinteressantes Thema, das Auswirkungen auf viele Verkehrsunfall-Prozesse vor deutschen Gerichten haben wird.
Die Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen zu Beweiszwecken ist grundsätzlich zulässig. Zwar steht jeweils im Raum, dass die der-Aufzeichnung gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstößt. Allerdings folgt hieraus kein Beweisverwertungsverbot. Dies hatte der Bundesgerichtshof (BGH) letztlich entschieden (Urteil abgedruckt in NJW 2018, Seite 2883).
Es war lange Zeit in der Instanzrechtsprechung höchst umstritten, ob in einem Verkehrsunfallprozess sogenannte Dashcam-Aufzeichnungen verwertet werden dürfen oder nicht. Genau gesagt seit deren Erfindung.
Diesen Streit hat der BGH beendet und entschieden, dass derartige Aufzeichnungen auch dann als Beweis verwertet werden dürfen, wenn sie möglicherweise in unzulässiger Weise erlangt worden sind. (BGH, Urteil vom 15.5.2018, Aktenzeichen VI ZR 233/17, BGHZ 218, 348 – 377).
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall lag eine Dashcam-Aufzeichnung vor, die nicht nur das eigentliche Unfallgeschehen beinhaltete, sondern die Autofahrt über mehrere Stunden aufzeichnete. Sie erfolgte damit „anlasslos“ und ohne Bezug zu einem konkreten Geschehen. Dies beanstandete der BGH als Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und wies ausdrücklich darauf hin, dass derartige Verstöße mit Geldbußen geahndet werden können.
Aber nun kommt es: Gleichwohl ist eine solche Aufzeichnung im Prozess verwertbar. Sie unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot. Eine unzulässige oder gar rechtswidrige Beweiserhebung führt nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies ergibt sich aus einer Interessenabwägung.
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist, da er in der Öffentlichkeit stattfindet, nur als gering anzusehen. Dem steht gegenüber das Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör und letztlich auch einer richtigen Entscheidung des zuständigen Gerichtes nach freier Beweiswürdigung.
Die Frage, ob sich eventuell eine Zulässigkeit der Aufzeichnung dadurch ergeben kann, dass diese nur das eigentliche Unfallgeschehen aufzeichnet, lässt der BGH in der genannten Entscheidung ausdrücklich unbeantwortet. Die Ausführungen in seinem Urteil lassen jedoch die Tendenz erkennen, dass eine solche Aufzeichnung zulässig sein könnte. Um auf der sicheren Seite zu sein, auch was den Datenschutz angeht, sollte daher nur anlassbezogen gefilmt werden. Denn solche Aufnahmen, gemacht unmittelbar vor, während und kurz nach dem Unfallgeschehen, können mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit als noch erforderlich im Sinne des Datenschutzes angesehen werden.
Wenn der Betroffene eine Dashcam benutzt, die mit einem sogenannten Ringspeicher versehen ist, der also nicht über Stunden, sondern nur über das eigentliche Unfallgeschehen dauerhaft aufzeichnet, hat er gute Chancen, nicht nur den Verkehrsunfallprozess zu gewinnen, sondern auch ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften zu vermeiden.
Nun zum Prozessualen. Die Verwertung der Aufzeichnung erfolgt über einen Augenschein gemäß § 371 ZPO. Es ist also ein entsprechender Beweisantrag zu stellen. Gleichzeitig sollte das Gericht gemäß § 372 ZPO die Hinzuziehung eines Sachverständigen anordnen, denn nur er kann die Aufnahmen für eine Unfallrekonstruktion auswerten. Sofern dies denn erforderlich ist. Es empfiehlt sich daher aus anwaltlicher Sicht, die Anregung dieser Anordnung mit dem Beweisantrag zu verbinden.
Hier ein Formulierungsvorschlag für das Anbringen eines solchen Prozessantrages:
„Der Beweis dafür, dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie dies von der Klägerseite vorgetragen wird, ergibt sich auch aus einer Dashcam-Aufzeichnung. Zum Unfallzeitpunkt war im klägerischen Zeitpunkt eine sogenannte Dashcam installiert. Diese zeichnete das ganze Unfallgeschehen auf. Die Aufzeichnung befindet sich auf der als Anlage K1 beigefügten CD. Es wird
beantragt,
die Aufzeichnung gemäß § 370 Abs. 1 ZPO in Augenschein zu nehmen. Weiterhin wird angeregt, gemäß § 372 Abs. 1 ZPO sogleich die Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einnahme dieses Augenscheins anzuordnen. Die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnung zu Beweiszwecken ist zulässig. Zwar steht hier im Raum, dass die Dashcam-Aufzeichnung gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstößt. Allerdings folgt hieraus kein Beweisverwertungsverbot (BGH NJW 2018, 2883).“
Ergebnis: Es ist also tatsächlich ein weiteres Beweismittel für den Zivilprozess gewonnen worden. Aus meiner Sicht ist dies eine zu begrüßende Entwicklung, weil allzu oft in Verkehrsunfall-Prozessen der tatsächliche Ablauf den Unfallgeschehens dem Kläger nicht mehr möglich ist. Die Folge sind sehr häufig – falsche – Klageabweisungen. Denn dem Kläger obliegt nun einmal die Darlegung und der Beweis des behaupteten Unfallgeschehens.
Haben Sie Fragen dazu? Dann schreiben Sie mir gerne über www.ra-hartmann.de