Staatsanwalt fordert hohe Haftstrafen im 49-Millionen-Prozess von Berlin – die Tatbeute bleibt verschwunden

Weiter ging es am 10.7.24 im Berliner Tresorraubprozess. Der Staatsanwalt fordert hohe Haftstrafen. Besonders bedenklich: die Tatbeute bleibt nach wie vor verschwunden.

Zum 37. Mal wurde gestern, 10.Juli 2024, vor dem Kriminalgericht Berlin – Moabit verhandelt. Dabei forderte der Staatsanwalt für die Angeklagten hohe Haftstrafen zwischen dreieinhalb und neun Jahren. Diese recht hohen Strafen wurde auch deshalb gefordert, weil die Tatbeute – ca. 49 Millionen – bis heute verschwunden ist. Denn strafmildernd hätte sich vor allem das Bemühen der Angeklagten, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen, einen Ausgleich der Geschädigten zu erreichen, ausgewirkt.

Zu Anfang dieses Prozesstages machte der Mitangeklagte Kenan S. (28) persönliche Angaben durch seinen Verteidiger, Herrn RA Plundrich. Kenan S. wurde in Berlin geboren. 2012 schloss er die Mittlere Reife (MSA) ab. Nach zwei Ausbildungsversuchen konzentrierte er sich auf den Boxsport, den er seit seinem zwölften Lebensjahr ausübt. Dadurch ergaben sich Kontakte zu Türstehern, sodass auch Kenan S. schnell als Türsteher arbeitete. In dieser Szene eröffnete sich für den damals 17jährigen der Zugang zu Betäubungsmitteln (BTM), mit welchen schnelles Geld verdient werden konnte. Deshalb ist Kenan S. heute mehrfach vorbestraft, was sich in diesem Prozess negativ auf die Strafzumessung auswirkt. Im derzeit verhandelten 49 Millionen – Prozess hatte er nach eigenen Angaben vor allem operative Aufgaben, wie das Zusammenstellen des „Teams“. Zusätzlich sollte er die Kameras in der Schließfachanlage besprühen und beim Verladen der Tatbeute helfen. Dass später ein Feuer gelegt werden sollte, sei ihm nicht bekannt gewesen. Auch eine konkrete Vorstellung vom Gesamtwert der Tatbeute hatte er nicht. So der Anwalt. Er bezeichnete seinen Mandanten als eher kleines Rad im Getriebe. Dieser habe auch darauf vertraut, dass kein Schaden entstehen würde, weil alle Schließfachinhaber versichert seien. Eine Brandstiftung wäre für seinen Mandanten nicht nachzuweisen, sagte RA Plundrich. Es käme eine Freiheitsstrafe von maximal 5 Jahren in Frage, wobei man die im Ausland erlittene Untersuchungshaft mit einem hohen Faktor anrechnen müsse.

Nach der Einlassung des Kenan S. wies der Vorsitzende darauf hin, dass statt des Diebstahls in besonders schweren Fall auch eine Verurteilung nach § 244 StGB – Diebstahl mit Waffen (oder anderem gefährlichen Werkzeug) – möglich ist. Hierbei würde die Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten bis zu zehn Jahren ausfallen.

Danach ließ der Mitangeklagte Muhammet „Mo“ H. (42) durch seinen Verteidiger, Herrn RA Albers, Unterlagen verlesen und den Akten zuführen. Diese bestätigten, dass „Mo“ in der Vergangenheit seinen Vater über einen Zeitraum von sechs Monaten betreut hatte und diesen zusammen mit anderen Angehörigen auch weiterhin pflegt.

Nun hatte der Verteidiger Herr RA Stucke das Wort. Er erklärte für seinen Mandanten Mahmoud My. (26), dass dieser im Jahr 2022 finanzielle Probleme hatte. Mahmoud My. fragte zu diesem Zeitpunkt den Mitangeklagten Billal M. (43), ob er jemanden kennen würde, der eine „Geschäftsidee“ hätte, um seine finanziellen Probleme zu lösen. Daraufhin lernten sich der Geschäftsführer der Schließfachanlage „Vallog GmbH“ der Fasanenstraße 77 und jetzige Mitangeklagte, Kronzeuge Thomas S., kennen und tätigten Geldwäschegeschäfte. Ein Testlauf in Höhe von 250 Tausend Euro verlief problemlos, sodass es in größerem Stil weiterging. RA Stucke fasste noch einmal zusammen, dass es der Kronzeuge gewesen sei, der die Idee zum Einbruch hatte und die anderen Angeklagten maximal ausführende Personen waren.

Nach der Mittagspause wurde mit Spannung das Plädoyer des Staatsanwalts, Herrn Kiworr, erwartet. Dieser stellte vorab noch einen Antrag auf Erteilung des rechtlichen Hinweises, dass die Mitangeklagten zur tateinheitlichen Beihilfe der besonders schweren Untreue verurteilt werden könnten. Der Kronzeuge Thomas S. könnte zur besonders schweren Untreue (Untreue in einem besonders schweren Fall, § 266 II StGB) verurteilt werden – Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Dann hielt der Staatsanwalt sein Plädoyer:

„Wie können feststellen, dass der Kronzeuge Thomas S. und die Mitangeklagten geschäftlich verbunden waren“ lautete der erste Satz des Plädoyers. Das Tatgeschehen habe sich abgespielt wie angeklagt. Außerdem seien für den Staatsanwalt alle Angaben, die der Kronzeuge gemacht hat, „durchweg und vollumfänglich glaubhaft“. Diese Aussage löste bei vielen Zuhörern Raunen und Fassungslosigkeit aus. Der Staatsanwalt begründete das unter anderem damit, dass sich der Kronzeuge gleich zu Anfang eingelassen habe. Er habe sich während des Prozesses auch „nicht wie ein typischer Lügner“ verhalten, auch wenn es immer wieder „Gedächtnislücken“ oder Unklarheiten in S. Aussagen gab. Ganz im Gegensatz dazu erschienen dem Staatsanwalt die Mitangeklagten allesamt und durchweg nicht glaubwürdig, auch aufgrund von Unklarheiten und „zu später Einlassungen“.

Nun muss man dazu sagen, dass der Kronzeuge zu Anfang und bei der Polizei gelogen hatte, dass sich die Balken biegen. Und dass er erst, nachdem ihm das Wasser bis zum Hals stand, mit der Sprache rausrückte und sich als Kronzeuge ohne Haft und mit Polizeischutz zur Verfügung stellen wollte. Man darf auch nicht vergessen, dass er bewusst alle Inhaber der Schließfächer vor den Scherben ihres Lebens stehen lassen wollte, ohne einen Cent. Es war dem Kronzeugen völlig klar, dass die Versicherung nicht zahlen würde. Viele Zuhörer hatten den Eindruck, dass dies den anderen Mitangeklagten jedoch gar nicht klar war. Vielmehr sagten diese aus, dass der Kronzeuge ihnen versichert hätte, dass „die Versicherung ja zahlen wird“. Der Staatsanwalt beantragte Haftstrafen in Höhe von neun Jahren für Muhammet H., sechs Jahre für Mahmoud M., fünf Jahre für Bilal M., acht Jahre für Kenan S. sowie dreieinhalb Jahre für den Kronzeugen Thomas S.

Der Verteidiger des Kronzeugen, RA Zschoppe, führte in seinem Schlussvortrag aus, dass Kronzeugen für ihre umfassenden Aussagen belohnt werden müssen. Ohne das Geständnis des Thomas S. und dessen Mithilfe hätte der Prozess nicht stattfinden können. Weiterhin bezweifelte der Verteidiger unfassbarerweise die Schadenshöhe, weil er die Aussagen der Geschädigten für wenig glaubhaft hält. Er regte an, dass bei dem Kronzeugen von einer Haftstrafe abgesehen werden könne. Wie bitte??

In der kommenden Woche soll dann endlich die Urteilsverkündung stattfinden. Wir werden Sie natürlich auch darüber ausführlich informieren.

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