Prozesstag am 11.7.24 im Berliner Tresorraubprozess – der lügende Kronzeuge

Am vorletzten Prozesstag im Millionenprozess vor dem Berliner Landgericht ging es mit den Plädoyers der Verteidigung weiter. Insbesondere Thema: der lügende Kronzeuge.

Am heutigen vorletzten Prozesstag, 11. Juli 2024, hat unsere Mitarbeiterin Frau Ines Neubauer für uns das Geschehen vor dem Kriminalgericht Berlin – Moabit verfolgt. Zu Anfang des heutigen Tages sagte der Vorsitzende, dass die Kammer anregt, den einen Tag zuvor erwähnten Tatvorwurf der „Beihilfe zur tateinheitliche Untreue“ gegen die Mitangeklagten bzw. „Untreue“ gegen den Kronzeugen Thomas S. einzustellen. Danach erklärte die Verteidigerin des Kronzeugen, der sich immer noch unter besonderem Schutz und in Freiheit befindet, dass ihr Mandant entgegen der gestrigen Darstellung einer Berliner Zeitung nicht bequem zu Hause sei, sondern unter sehr erschwerten Bedingungen in quasi haftähnlichen Bedingungen leben müsse – er hätte nicht einmal Internet-Zugang. Mitgefühl konnte die Verteidigerin nun wirklich nicht erwarten. Und sowohl bei einigen Verteidigern als auch im Publikum sorgte diese Äußerung für zumindest belustigte Gesichter.

Der Verteidiger des Mitangeklagten Billal M., Herr RA Conen, hatte nun das Wort. Herr Conen bemängelte das gestrige Plädoyer des Staatsanwalts, Herrn Kiworr. Der Verteidiger wirft dem Staatsanwalt vor, dass dieser wichtige und entscheidende Faktoren wie Plausibilität, Motivation und Konstanz bei den Aussagen des Kronzeugen Thomas S. nicht ausreichend geprüft hat. Außerdem passt die Wertung der Staatsanwaltschaft nach Conens Ansicht nicht zu den Aussagen, die der Verteidiger des Kronzeugen in seinem Plädoyer tätigte. Rechtsanwalt Conen erinnerte daran, dass der Kronzeuge und ehemalige Geschäftsführer des Schließfachunternehmens anfangs aussagte, dass „da mehrere Organisationen mit drin stecken“. Das sei eine von mehreren Lügen des Kronzeugen gewesen. Während des Prozesses stellte dieser Situationen falsch und sich selbst als völlig passiv dar, so der Verteidiger. Rechtsanwalt Conen führte aus, dass das Ziel des Kronzeugen ganz offenbar war, sich als passives Opfer darzustellen um so eine Strafmilderung oder Straferlass zu erhalten. Herr Rechtsanwalt Conen sagte: „Der Staatsanwalt kann den Kronzeugen doch nicht zum Orakel der Wahrheitsfindung machen“. Es gibt überhaupt keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung von Bilall M., außer der Aussagen des Kronzeugen Thomas S. Und der habe so lange gelogen, bis ihm von den Untersuchungsbehörden das Angebot des Zeugenschutzes gemacht wurde. Allein schon die als Motiv angeführten Schulden aus Geldwäschegeschäften sind nicht glaubwürdig, weil die Einnahmen auch noch nach den angeblichen Schulden fleißig weiter flossen. Auch ist es lebensfremd, wenn der Kronzeuge behauptet, dass er von der Beute nichts abbekommen sollte oder dass er sich nicht erinnern kann, wer konkret die Idee zum Einbruch hatte. Der Kronzeuge hatte nach Ansicht des Verteidigers ganz klar die Ideengebung zur Tat. Die Aussagen des Thomas S. seien detailarm und inkonstant gewesen. Zudem hat der Kronzeuge auch in der Hauptverhandlung gelogen. Für seinen Mandanten Bilall M. forderte Rechtsanwalt Conen Freispruch und Haftentschädigung.

Nun wurde der zweite Verteidiger von Bilall M., Herr Rechtsanwalt Frings, vom Vorsitzenden gefragt, ob auch er etwas dazu sagen möchte. Der Verteidiger bemerkte, dass sein Kollege Conen alles sehr gut ausgeführt hat. Jedoch wollte Rechtsanwalt Frings nicht unerwähnt lassen, dass dieses Verfahren für ihn sehr „ungewöhnlich“ war. Er sagte weiter, dass der Kronzeuge vorsätzlich mehrfach gelogen hat, um selbst als Opfer dazustehen. So log der Kronzeuge, als er behauptete, dass er seine Schulden nur durch die Straftat hätte tilgen können. Auf die Nachfrage, wie es mit dem Darlehen des Unternehmens „watchmaster“ sei, behauptete der Kronzeuge, dass das Darlehen ihm nicht hätte in ausreichenden Umfang und zeitnah zurückgezahlt werden konnte. Das war eine Lüge. Nach der Anhörung des Unternehmens „watchmaster“ war klar, dass das Darlehen zu keinem Zeitpunkt von dem Kronzeugen überhaupt abgerufen wurde. Es wurde viel mehr ausgesagt, dass das Darlehen in einem sehr großen Umfang zeitnah hätte an den Kronzeugen zurückgezahlt werden können, wenn dieser dies nur angesprochen hätte. Eine weitere Lüge von vielen war, dass der Kronzeuge in einem anderen Verfahren in Karlsruhe unter Wahrheitspflicht etwas anderes zu ein und demselben Sachverhalt ausgesagt hatte, als in diesem laufenden Prozess. Herr Rechtsanwalt Frings stellte fest: wir haben hier einen lügenden Kronzeugen, einen Lügenbaron.

Danach brachte Herr Rechtsanwalt Albers, der Verteidiger des „Mo“ treffend zum Ausdruck, wie befremdlich und unangemessen er die am Tag zuvor im Plädoyer des Staatsanwalts verwendeten Begriffe „Clankriminalität“, „Clanverteidigung“, „interessengeleitete Anwälte“ oder die Aussage „wir hier im Haus müssen aufpassen“ fand. Herr Albers fragte nun mit Blick in Richtung des Staatsanwaltes: „Wie steht der Staatsanwalt zu den erwachsenen Lügen des Kronzeugen?“ Und weiter: „Wie wird es von der Staatsanwaltschaft bewertet, dass der Kronzeuge Kontakte zu einem bekannten Rocker-Milieu hatte und Geschäftsführer eines Bordells war?“ Der Verteidiger stellte fest, dass der Kronzeuge ja ganz offensichtlich ein Talent zum Lügen besitzt, hat er doch beispielsweise auch die Kunden seines Schließfachunternehmens, die ihm all ihr Hab und Gut anvertrauten, dreist getäuscht und belogen. Auch seine Angestellten und auch die Mannheimer Versicherung belog er mit Vorsatz. Bei allen Handlungen, die die Tat mit sich brachte, war die Zuarbeit des Kronzeugen erforderlich. Er steuerte alles. Dies nun unter Zeugenschutz und in der Hoffnung auf Straferlass dermaßen klein zu reden, sich als armes Opfer darzustellen, fand der Verteidiger mehr als bezeichnend. Herr Albers sagte, dass der Kronzeuge sehr wohl und zu jeder Zeit Herr seiner eigenen Entscheidungen war – anders, als Thomas S. es immer wieder darzustellen versuchte. Außerdem betrieb der Kronzeuge schon länger Geldwäsche im großen Stil, eine scharfe Waffe wurde in seinen Wohnräumen gefunden usw. Der Verteidiger sieht es als erwiesen an, dass Thomas S. verantwortlich für die Planung, die Ausführung und die Entstehung des Schadens dieser Straftat ist. Zum Strafmaß seines Mandanten sagte er, dass sein Mandant die gleiche Strafe erhalten soll wie der Kronzeuge: „Das würden vielleicht auch die Geschädigten besser verstehen“.

Als letzter Verteidiger kam der des Mahmoud M., Herr Rechtsanwalt Stucke, zu Wort. Er schloss sich seinen Kollegen an und ergänzte, dass für den Thomas S. die Kronzeugenregelung ja einen angenehmen Nebeneffekt hat: er entgeht damit dem Insolvenzverwalter und seinen Schulden.

Das letzte Wort hatten die Angeklagten selbst. Kenan S. entschuldigte sich dabei bei den Geschädigten und sagte, dass er wüsste, dass es am Strafrahmen nichts mehr ändern wird, aber dass es ihm aufrichtig leid tut. Heute, nachdem er viel Zeit zum Nachdenken hatte, würde er diese Tat nicht mehr begehen. Vielmehr würde er sich lieber um seine Familie und ein geordnetes Leben kümmern. Doch er wird jede Strafe akzeptieren. Mohammed H. sagte, dass er vielen Menschen Schaden zugefügt hat und sich vor allem vor seiner Familie schämt. Mahmoud My. hofft darauf, seine Familie bald wieder zu sehen und Bilall M. möchte den Worten seiner Verteidiger nichts hinzufügen.

Als der Kronzeuge an der Reihe war und mit seinen letzten Worten sagte, dass er niemanden falsch beschuldigt hätte, war das Murren im Zuschauerbereich nicht zu überhören. Übrigens konnte man auch außerhalb des Sitzungssaales an vielen Tagen vielen verschiedenen Gesprächen mit Zuhörern und auch Geschädigten – viele sind seit dem ersten Verhandlungstag dabei – entnehmen, dass der überwiegende Teil den Mitangeklagten und nicht dem Kronzeugen glaubt. Es bleibt nun abzuwarten, wie das Gericht entscheiden wird. „Im Namen des Volkes“, so heißt es dann in der kommenden Woche – und wie gewohnt werden wir für Sie vor Ort sein und darüber berichten.

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