Rechts vor links gilt nicht immer

Da meint man, die Verkehrsregeln zu kennen und hält sich daran. Aber immer wieder ergehen Entscheidungen, die einen zum Nachdenken bringen. So wie hier: Autofahrer müssen an Kreuzungen auf abgelegenen Wirtschaftswegen neben der Regel „rechts vor links“ auch den von links kommenden Verkehr beachten. Das erklärte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einer Entscheidung (Aktenzeichen: 12 U 25/05 – Urteil vom 13.02.2006). Geklagt hatte der Mann einer Autofahrerin. Sie war mit ihrem Wagen auf einem Wirtschaftsweg in einem Weinberg unterwegs und hatte ein von links kommendes Auto nicht wahrgenommen. Es kam zum Zusammenstoß. Obwohl die Frau die Vorfahrtsregeln beachtet habe, habe das Ehepaar nur einen Anspruch auf den Ersatz von zwei Dritteln seines Schadens. Die Richter erklärten, die Frau habe den Unfall mit verursacht. Ein Wirtschaftsweg verleite dazu, nicht mit anderen Fahrzeugen zu rechnen. Daher müsse der Vorfahrtsberechtigte ein unvorsichtiges Verhalten der anderen Autofahrer einkalkulieren.

Eine solche Situation kann in zweifacher Hinsicht zu juristischen Problemen führen. Zum einen kann wie zuvor angesprochen die (zivilrechtliche) Anspruchsgeltendmachung gegenüber der gegnerischen Versicherung erschwert werden.

Zum anderen kann aber gegen den Unfallbeteiligten auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden., es drohen Punkte in Flensburg oder gar ein Fahrverbot. Wenn dies der Fall ist, wird zunächst ein Anhörungsbogen an den Betroffenen übersandt (§ 55 OWiG i.V.m. § 163a StPO). Nach Zustellung eines Bußgeldbescheides ist unbedingt die (nur) zweiwöchige Einspruchsfrist zu beachten (§ 67 I OWiG), um einen Punkteeintrag zu verhindern!

Was viele nicht wissen – die Kosten für die Verteidigung in dem Bußgeldverfahren werden von der Verkehrsrechtsschutzversicherung abgedeckt. Im Falle eines Freispruches trägt die Staatskasse die Kosten.

Der Verfasser dieses Artikels ist Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).

Die Kanzlei Dr. Hartmann & Partner betreibt Büros in Berlin, Bielefeld und Oranienburg (Tel. 03301 – 53 63 00).