Tag sieben im 49-Millionen-Prozess vor dem Landgericht Berlin: Der letzte Zeuge lässt eine Bombe platzen…

Am siebten Tag im 49-Millionen-Prozess um den Raub in der Fasanenstraße vor dem Landgericht Berlin ging es hoch her. Der letzte Zeuge ließ eine Bombe platzen, das kann man so sagen.

Am 20. November 2023 beginnt der siebte Prozesstag im 49-Millionen-Prozess vor dem Landgericht Berlin planmäßig um 9:30 Uhr. Auch diesmal ist der Gerichtssaal schon gut mit Vertretern der Presse gefüllt.

Gleich zu Anfang teilte der Vorsitzende den Verteidigern der Angeklagten mit, dass er den Staatsanwalt Kiworr bereits darum gebeten hat, unaufgefordert mitzuteilen, wenn es noch offene Ermittlungsverfahren gegen Beteiligte oder Zeugen gibt. Danach verkündete der Richter den Ablauf für den heutigen Tag: Zeugenvernehmung. Was anfangs noch niemand ahnte, war die Aussagekraft des letzten Zeugen des Tages. Dieser ließ unwissentlich eine so genannte „Bombe“ platzen…

Zunächst einmal begann aber die Zeugenvernehmung von Mitarbeitern der ehemaligen Sicherheitsfirma „WISAG“, die seit 2019 für die „Vallog GmbH“ – also die Firma, deren Schließfächer beraubt wurden – tätig war. Herr L. (38), der als Niederlassungsleiter bei der „WISAG“ tätig war, berichtete davon, dass der Kronzeuge Thomas S. mehrere Monate keine Zahlungen an das Sicherheitsunternehmen leistete. Herr L. Sagte weiter aus, dass Thomas S. aber auch nicht an einer Einigung oder Ratenzahlung interessiert war. Vielmehr hatte der Kronzeuge Interesse daran, den Vertrag mit dem Sicherheitsunternehmen sogar vorfristig zu beenden.

Herr Z. (39) als Bereichsleiter der WISAG, sprach ebenfalls über die Sicherheitsdienstleistungen für die „Vallog GmbH“ (Thomas S.) in der Fasanenstraße 77. Er sagte aus, dass die Firma „WISAG“ durch die fehlende Zahlungsbereitschaft des Thomas S. nun auf circa 50.000 Euro sitzen gelassen wurde – Thomas S. hatte wie bei vielen seiner anderen Unternehmen auch – direkt Insolvenz angemeldet.

Nebenbei und ungewollt erwähnte Z., dass er von damaligen Sicherheitsmitarbeitern gehört hätte, dass es bei der Vallog GmbH wohl auch „Geschäfte aus dem Fenster“ gegeben hätte. Geschäfte unter der Hand quasi. Diese verschwiegenen Einkünfte dürften der Geldwäsche, die Thomas S. für Bilall M. betrieb, nicht gerade zuträglich gewesen sein. Zumal Thomas S. in seiner Befragung als Kronzeuge angab, dass er sich monatelang nur noch mit der Geldwäsche befassen und keine unabhängigen und eigenen Umsätze mehr generieren konnte.

Die Verteidiger der Angeklagten waren wie immer sehr aufmerksam und erfragten direkt die Namen der Mitarbeiter, die das erzählt haben sollen. Man kann davon ausgehen, dass da noch einmal nachgehakt wird.

Als dritter Zeuge wurde Herr F. (43), Geschäftsführer der „Flash-Security“ in den Zeugenstand gerufen. Sein Firmenname wurde von den Angeklagten missbraucht, um eine scheinbare Sicherheitsfirma darzustellen. Dazu wurden das Firmenlogo und Fotos der tatsächlich existierenden Sicherheitsfirma „Flash-Security „missbräuchlich genutzt. Herr F. kennt weder den Kronzeugen noch andere Mittäter und ist hier nur Opfer eines Datenmissbrauchs geworden.

Der vierte Zeuge, Herr W. (42) Ist Angestellter der „Flash Security“ und konnte keinerlei Angaben zu Thomas S. oder dessen Tätigkeiten machen.

Gegen 14:00 Uhr wurden ehemalige Mitarbeiter des ebenfalls ausgeraubten Uhrenhändlers „Watchmaster“ befragt. Watchmaster hatte bei der Vallog GmbH besonders sichere Tresorräume für ihre hochwertigen Uhren angemietet.

Herr K. von S. (35) war als angestellter General Manager bei Watchmaster tätig und hatte Zugang zu den Watchmaster – Tresoren. Er wurde im Wesentlichen zu den Sicherheitsvorkehrungen des damaligen Uhrenhändlers und zum Kredit, den Thomas S. Watchmaster gewährte, befragt. Dabei konnte der Zeuge die  Abläufe wortgewandt und verständlich schildern.

Darauf folgte die Zeugenvernehmung von Herrn M. (39). Er war Leiter der Uhrenwerkstatt bei „Watchmaster“ und erklärte die absolute Sicherheit der Tresorräume durch das „Vier-Augen-Prinzip“. Auch bestätigte Herr M., dass dem Kronzeugen als Kreditsicherheit für die geliehenen 1,1 bis 1,5 Millionen Euro Luxusuhren im Millionenwert vorlagen.

Als letzter Zeuge des Tages wurde gegen 15:00 Uhr Robert M. (43), aufgerufen. Zu diesem Zeitpunkt waren ein Großteil der Presse und einige Verteidiger schon nicht mehr anwesend.

Der Zeuge Robert M. führte von Anfang 2016 bis September 2022 als Geschäftsführer („Chief Operating Officer“) das Startup „Watchmaster“ und schied danach aus dem Unternehmen aus.

Er litt – anders als der Kronzeuge und viele der bisher gehörten Zeugen – nicht unter dissoziierter Amnesie. So konnte sich beispielsweise auch heute einer der Zeugen plötzlich an nichts mehr erinnern, obwohl er bei der damaligen direkten polizeilichen Vernehmung noch detailliert berichten konnte und sich „absolut sicher“ war, einen der Täter erkannt zu haben.

Robert M. berichtete auf Nachfrage u.a. über die Entstehung des Startups „Watchmaster“, über die finanzielle Situation des Unternehmens und über die Tilgung des von Thomas S. vergebenen Kredits.

Bei der Befragung stellte sich mehrfach heraus, das Watchmaster den Kredit in Millionenhöhe auch sehr kurzfristig an Thomas S. hätte zurückzahlen können!

Das war deshalb interessant, weil der Kronzeuge bis dahin stets behauptete, dass dies nicht möglich gewesen sei und er sich einzig und alleine nur deshalb auf das Geschäft mit den Angeklagten eingelassen hätte.

Der ehemalige Geschäftsführer von Watchmaster betonte mehrfach, dass eine Rückzahlung in Höhe von 1,3 Millionen Euro an Thomas S. innerhalb von 14 Tagen überhaupt kein Problem dargestellt hätte und es in Gesprächen mit dem Kronzeugen sogar eher darum ging, den Kreditrahmen noch zu erhöhen.

Dies warf natürlich unweigerlich Fragen auf. Denn Thomas S. war bemüht, sich bisher eher als „Opfer“, als unwissend und naiv darzustellen. Er bekräftigte mehrfach, dass er sich nur auf die Straftaten eingelassen hätte, weil er Bilall M. die 1,3 Millionen Euro Schulden aus der Geldwäsche zurückzahlen musste und keinen anderen Weg sah.

Die absolut glaubwürdigen Aussagen des Zeugen Robert M., der weder mit Watchmaster noch mit der Vallog GmbH seit 2022 etwas zu tun hat, warf neben vielen anderen Eindrücken ein weiteres Mal ein anderes Bild auf den Kronzeugen. Auf den Mann, der wirkt wie ein netter Sparkassenangestellter. Ein Mann, der seit Jahren Geschäfte mit Personen aus dem kriminellen Milieu macht, der schon etliche Unternehmen in die Insolvenz verabschiedete – als GmbH aber natürlich nicht mit seinem Privatvermögen haften muss und finanziell immer noch gut da steht. Ein Mensch, der über Luxusimmobilien und Yachtanteile verfügt und trotzdem nie auf die Idee kam, seine Schulden bei Bilall M. aus seinem Privatvermögen zu tilgen oder wenigstens die Rückzahlung des Watchmaster-Kredites dafür zu verwenden.

Ein Mann, der so viele Privatpersonen als Mieter der Schließfächer um ihre Ersparnisse brachte, der nach eigener Aussage „seine Leute belog“. Der sagte „die neue Security war nur Show“. Der Mann, bei dem eine Schusswaffe im Nachtschrank gefunden wurde. Und dem zuletzt das Wasser bis zum Hals stand, als er sich entschied, auszupacken. Dieser Mann, dem – vom Steuerzahler – ein besonderer Schutz für sich und seine Familie gewährt wird, hat seinen Bonus, ein paar Aussagen zu treffen und als Kronzeuge behandelt zu werden- bei vielen Zuhörern im bisherigen Verlauf des Prozesses schon jetzt verwirkt.

Der nächste Prozesstag findet am Donnerstag, 23. November statt. Dann sollen die ehemalige Reinigungskraft sowie die damalige Sekretärin der Vallog GmbH, Frau M., angehört werden. Wir werden für Sie wieder dabei sein und berichten.