Was ist eigentlich „Schrittgeschwindigkeit“?

Was ist eigentlich „Schrittgeschwindigkeit“? Heute soll es um das Thema „Schrittgeschwindigkeit“ gehen. Viele benutzen den Begriff, aber kaum einer weiß, was das eigentlich genau ist.

Aber von Anfang an. Gemäß § 42 Abs. 2 StVO in Verbindung mit dem Verkehrszeichen 325.1 in Abschnitt 4 der Anlage 3 zur StVO darf in einem verkehrsberuhigten Bereich nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Eine nähere gesetzliche Definition dieses Begriffes findet sich nicht. Reichlich kurios, zumal doch sonst fast alles in Deutschland definiert ist.

So haben denn die Gerichte auch unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Zum Teil wurde bereits 7 km/h als Schrittgeschwindigkeit definiert (unter anderem OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8.1.2018, A.Z. 2 Rb 9 Ss 794/17, oder auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.5.2005, A.Z. 1 Ss (OWi) 86 B/05). Andernorts wurde die Grenze erst bei 10 km/h als erreicht angesehen z.B. vom OLG Naumburg, Beschluss vom 21.3.2017 (A.Z. 2 Ws 45/17).

Uneinheitliche Bewertung führt zu ungerechten Urteilen

Diese Uneinheitlichkeit von regionaler Bewertung des Begriffes „Schrittgeschwindigkeit“ führte dann natürlich zu ungerechten Urteilen. Schließlich kann es nicht sein, dass bei der Tat (also der Geschwindigkeitsverstoß und die Überschreitung) zu einer unterschiedlichen Bewertung kommt, je nachdem in welchem Bundesland ich nun den Vorstoß begehe. Letztendlich kann es je nach Höhe der Überschreitung um den Führerschein gehen.

Demzufolge hat sich nun das OLG Hamm in einem Beschluss am 28.11 2019 (Aktenzeichen 1 RBs 220/19) detailliert und genau damit auseinandergesetzt, ab wann denn nun ein Verstoß geahndet werden darf. Recht interessant: der Senat hat zunächst untersucht, was denn landläufig eigentlich als „Schrittgeschwindigkeit“ zu verstehen ist. Hierbei kam heraus, dass der Begriff der Schrittgeschwindigkeit sich in jedem Falle

„als eine Form des Gehens bestimmt, was nach hierzu allgemeingültiger Definition voraussetzt, das steht zumindest ein Fuß Bodenkontakt hat.“

Aha. Aber es geht noch weiter: Dabei liegt es für den Senat auf der Hand, dass auch der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer bei verständiger Würdigung von sich aus nicht etwa ernsthaft noch Geschwindigkeiten in Bereichen in Betracht ziehen wird, welche z.B. nur von Spitzensportlern im Gehen erreicht werden können (die schnellsten Männer erreichen laut Wikipedia beim 20 km gehen ca 15,3 kmh die schnellsten Frauen gehen immerhin 13,7 km/h schnell!)

Das gibt es wohl auch nur in Deutschland, dass man sich so viel Mühe mit einer Definition gibt, nachdem man es im Gesetzestext einfach mal offen gelassen hat. Oder wie sehen Sie das?

Aber zurück zum Thema. Der Senat des OLG Hamm hat schließlich festgestellt, dass der Begriff der Schrittgeschwindigkeit ungeachtet der hierzu in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen grundsätzlich dem Bestimmtheitsgebot (Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz) genügt.

Unter 10 km/h ist Schrittgeschwindigkeit

Aber: die derzeit gegebene Uneinheitlichkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, in welcher der Begriff der Schrittgeschwindigkeit eben teilweise mit maximal 7 km/h definiert, teilweise auch mit maximal 10 km/h angegeben wird, führt unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes bzw des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Schuldprinzips dazu, dass einem Betroffenen unabhängig von der konkreten Kenntnis verschiedener gerichtlicher Entscheidungen und unabhängig von der Frage, welche der verschiedenen Auffassung nach Bewertung des jeweiligen Senats als vorzugswürdig anzusehen wäre, ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden kann. Dies zumindest, solange keine verbindliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) oder eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt.

Nun herrscht also endlich Klarheit: unter 10 km/h ist Schrittgeschwindigkeit, Sie sollten bei einem entsprechenden Verstoß, bei dem sich die Differenz auswirkt, den Bußgeldbescheid angreifen, hier haben Sie beste Aussichten auf Erfolg.

Denken Sie daran: bei Eingreifen einer Verkehrsrechtsschutzversicherung ist die Vertretung und Verteidigung in diesen Fällen kostenlos. Denken sie ebenfalls daran: es kann um ihren Führerschein in gehen, bzw. Punkte in Flensburg.

Haben Sie Fragen hierzu? Dann schreiben Sie uns gerne unter info(at)ra -hartmann.de