Befangenheitsantrag gegen Richter

Häufig kommt es zum Streit zwischen Verteidigern und Richtern um die Einhaltung von Verfahrensrechten. Wenn der Verteidiger den Eindruck gewinnt, dass das Gericht nicht mehr sachlich oder objektiv über die Sache entscheidet, hat er die Möglichkeit, gegen den Richter einen Befangenheitsantrag zu stellen.

Hierbei ist einer der „Klassiker“ die Situation, dass der Verteidiger in Bußgeldsachen verspätet zum Termin erscheint und der Richter den Einspruch durch Urteil verwirft (§ 74 II OWiG). Zunächst hat das OLG Frankfurt / Main hierzu entschieden, dass für die Berechnung einer eventuellen Wartezeit die angesetzte Terminsstunde ist, und nicht etwa der tatsächliche Beginn der Hauptverhandlung (DAR 2012, S. 477). Und wie lange muss das Gericht nun auf den Rechtsanwalt / Verteidiger warten? Nach Ansicht des OLG Köln (NZV 1997, S. 494) mindestens 15 Minuten. Dies fällt nach Auffassung des Gerichts noch unter „geringfügige Verspätung“. Aber bei der Ankündigung der Verspätung seitens des Rechtsanwaltes, etwa durch einen Anruf, kann sogar noch eine deutlich längere Wartezeit angemessen sein, so urteilte jedenfalls im vorliegenden Falle das Gericht.

Bei Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages stellt sich die selbe Frage. Wenn das Gericht einen solchen Antrag auf Verlegung des Termins trotz nachgewiesener Krankheit des Betroffenen oder der Buchung einer Urlaubsreise ablehnt, kann dies ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit eines Richters begründen (vgl. OLG Bamberg , NJW 2006, S. 2341). Wenn nämlich die unzutreffende Einschätzung des Gerichts, der Betroffene würde seine Verhandlungsunfähigkeit nur vorspiegeln, zu dem Eindruck führt, dass das Gericht dem Betroffenen nicht mehr unvoreingenommen gegenübertritt, muss der Betroffene berechtigterweise befürchten, dass sich dies zu seinen Lasten auswirkt. In einem solchen Fall besteht nämlich Grund zu der Annahme, dass Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters gerechtfertigt ist – mit anderen Worten: Befangenheit.

Übrigens muss sich die Besorgnis der Befangenheit nicht nur darauf beziehen, was das Gericht über den Betroffenen äußert. Auch wenn das Gericht eine unsachliche Äußerung in Richtung der Verteidigung, also des Rechtsanwaltes vornimmt, kann die Besorgnis der Befangenheit bestehen. So hat beispielsweise das Amtsgericht Berlin Tiergarten zum Aktenzeichen 290 OWi) 3034 Js-OWi 9279/14 (533/14) (Richter Kujawski) in seinem Urteil ausgeführt, der Verteidiger habe durch sein Vorgehen gezeigt, dass er „mit seiner „Verteidigungsstrategie“ (die absolut legitim war, Anm.) für den Betroffenen mehr Schaden angerichtet hat als Nutzen“, so kann nicht mehr von einer objektiven, unbefangenen Behandlung durch das Gericht ausgegangen werden.
Bei all dem kommt es allerdings nicht auf die subjektive Sicht des Betroffenen an. Diese mag oft schon bei harmlosen Äußerungen zu der Sicht führen, „alle sind gegen mich „. Maßgebend ist vielmehr, ob bei verständiger Würdigung die Befürchtung berechtigt ist, dass keine unbefangene, sachliche Entscheidung in der Sache von dem fraglichen Richter zu erwarten ist.