Bei der Verteidigung gegen den Vorwurf des Geschwindigkeitsverstoßes („Blitzerfälle“) spielt es eine große Rolle, ob das gefertigte Foto gut genug ist, um den Fahrer zu identifizieren. Denn noch bevor es um die Verwertbarkeit der Messung geht (ein weiterer, wichtiger Verteidigungsansatz), muss die Identität des Fahrers aufklärbar sein. Es stellt sich also bei dem Blitzerfoto die Frage, kann man mich erkennen oder nicht?
Denn was viele nicht wissen: ist der Fahrer nicht identifizierbar, kann auch keine Bestrafung erfolgen. Im Juristendeutsch: es kann nicht verurteilt werden.
Vielleicht ist an dieser Stelle ein Aufräumen mit einem Missverständnis angezeigt. Weit verbreitet ist nämlich die Meinung, dass in diesen Fällen dann eben ein Fahrtenbuch angeordnet wird. Dies ist aber neuerdings nicht mehr zu befürchten. Denn zum einen wird das Führen des Fahrtenbuches bzw. ein Verstoß hiergegen nicht mehr mit Punkten in Flensburg geahndet. Es handelt sich daher – selbst im Falle der Anordnung – um ein „stumpfes Schwert“. Und aus genau diesem Grund erfolgen auch kaum noch Fahrtenbuchanordnungen. Die Fahrtenbuchauflage ist also nicht mehr geeignet, von der Verteidigung wegen fehlender Identifizierbarkeit abzuschrecken.
Also zurück zum Punkt. Nämlich zu der Frage, wann eine Verteidigung wegen eines schlechten „Blitzerfotos“ Sinn macht. Hier hat die Rechtsprechung mehrfach – und zuletzt das OLG Oldenburg in seinem Beschluss vom 5.10.2021 (A.Z.: 2 Ss(OWi) 211/21) – klargestellt, dass hier sehr wohl eine sehr große Verteidigungsmöglichkeit besteht.
Wenn der Betroffene nämlich geltend macht – also durch seinen Verteidiger vortragen lässt – dass die als Fahrer in Betracht kommenden Personen dem Betroffenen ähneln, entsteht ein riesiger Aufklärungsbedarf. Dann darf das Amtsgericht nicht einfach auf einen Vergleich des Fotos abstellen. Dann muss das Gericht alle diese Zeugen laden und ggf. auch vernehmen. Dies gilt umso mehr, wenn die benannten Personen in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen und daher eine Ähnlichkeit auch wahrscheinlich ist.
Auf Deutsch: Der Amtsrichter muss ein umfangreiches Verfahren führen, das so manchem Strafprozess zur Ehre gereicht. Hier wird dann so mancher Amtsrichter gesprächsbereit im Hinblick auf eine Lösung, die keine Auswirkungen auf den Führerschein hat.
Denn sonst geht es dem Amtsrichter wie hier in dem vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall: Das Urteil wird – zugunsten des Betroffenen – aufgehoben. Das möchte sich manch Amtsrichter lieber ersparen.