Bundesverwaltungsgericht: „Unknown“ reicht nicht für Wohnsitzverstoß!

Thema EU-Führerschein und Wohnsitzverstoß: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Rückmeldung „Unknown“ nicht für einen Wohnsitzverstoß ausreicht.

Es ist eine Entscheidung, die in einem kleinen Unterabschnitt für große Furore sorgt. Wenn auch nur von wenigen bemerkt, markiert sie einen Meilenstein in der Frage der Anerkennung ausländischer EU-Führerscheine in Deutschland.

Bekanntlich ist eine der Gültigkeitsvoraussetzungen für den EU-Führerschein die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses. Zur Erinnerung: Hierüber entscheiden nicht etwa die deutschen Behörden. Sondern es muss zu einer Information aus dem AUSSTELLERstaat kommen, aus der sich ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis herleiten lässt. Denn mit der Erteilung der Fahrerlaubnis hat die ausstellende Behörde zu erkennen gegeben, dass sie alle Voraussetzungen überprüft (und bejaht) hat. Das Vorgenannte ist den deutschen Behörden und Gerichten vom EuGH immer wieder in zahlreichen Entscheidungen ins Buch geschrieben worden. Es ist daher unbestreitbare – und inzwischen auch anerkannte – Rechtspraxis.

EU-Führerschein

EU-Führerschein und das Thema Wohnsitzverstoß: Die deutschen Behörden sind also auf Auskünfte aus dem Ausstellerstaat angewiesen, sonst müssen sie die Gültigkeit der EU-Führerscheine anerkennen. Nun hat es in den letzten Jahren zahlreiche Verfahren gegeben, in denen die deutschen Behörden (Staatsanwaltschaften oder Führerscheinstellen) an die ausstellenden Behörden Fragebögen übersandt haben, in denen nach privaten, beruflichen und sonstigen Bindungen des Betroffenen in dem jeweils maßgeblichen Zeitraum gefragt wird. Dieses Anschreiben lautete jeweils gleich und war in englischer Sprache verfasst. Als Antwortoptionen war durch Ankreuzen jeweils mit „Yes“ / „No“ / „Unknown“ (=unbekannt) zu antworten. Viele dieser Fragebögen wurden nicht beantwortet, womit es bei der Gültigkeit des Führerscheins blieb. Und wenn eine Rückmeldung kam, was haben die ausländischen Führerscheinstellen natürlich jeweils geantwortet? Selbstverständlich jeweils „Unknown“. Was sollen sie auch sonst antworten? Was soll eine Führerscheinstelle für Informationen über private oder berufliche Bindungen im Lande haben? Jede deutsche Führerscheinstelle hätte identisch geantwortet.

Kein Indiz für Wohnsitzverstoß

Sodann haben manche (deutsche) Behörden und auch untere Gerichte diese Rückmeldung zum Anlass genommen, Indizien für einen Wohnsitzverstoß anzunehmen. Nach dem Motto, nun haben wir wenigstens überhaupt eine Rückmeldung, den Rest können wir frei entscheiden. In Rheinland-Pfalz hat sich sogar ein OVG diese Sichtweise zu eigen gemacht, was aus den o.g. Gründen selbstverständlich unhaltbar ist.

Dann hat das OVG Münster in seinem Beschluss vom 09.01.2018 – 16 B 534/17, klar gestellt, dass in diesen Fällen zugunsten der Betroffenen (also Gültigkeit der Fahrerlaubnis) zu urteilen ist. Hier der maßgebliche Ausschnitt des Urteils:

„Auch erscheint es dem Senat als zu weitgehend, das bloße Ausbleiben angeforderter ergänzender Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat – etwa durch den formularmäßigen Hinweis, die näheren Umstände des Aufenthalts des Betroffenen seien unbekannt („unknown“) – als Indiz für einen Wohnsitzverstoß zu bewerten. Denn der Europäische Gerichtshof hat hervorgehoben, dass auch die Erklärung der nationalen Behörden des Ausstellermitgliedstaats, sie hätten die Wohnsitzvoraussetzung nicht geprüft, nicht beweise, dass der Inhaber seinen Wohnsitz nicht im Gebiet dieses Mitgliedstaats gehabt hat“

Und genau dieser Auffassung hat sich das Bundesverwaltungsgericht nun angeschlossen. In der Entscheidung vom 24.10.19 (BVerwG 3 B 26.19) erklärt das höchste deutsche Verwaltungsgericht dies ausdrücklich (in Randnr. 26).

Aus meiner Sicht ist dies zwangsläufig, da die europarechtliche Vorgabe eindeutig war. Ergebnis: Kommt die Rückmeldung der ausstellenden Behörde, dass Informationen zu privaten, beruflichen und sonstigen Bindungen „unknown“ (unbekannt) sind, stellt dies keinen Hinweis auf einen Wohnsitzverstoß dar, und es ist von Gültigkeit der Fahrerlaubnis, auch in Deutschland, auszugehen.