Die MPU und der EU-Führerschein

MPU bei weniger als 1,6 Promille?  Führerscheinflucht ins EU-Ausland hält an! Der EU-Führerschein wird immer interessanter.

In den letzten Jahren haben einige Führerscheinstellen in Deutschland, insbesondere in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, vermehrt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) gefordert, bevor sie nach Ablauf einer Sperrfrist aus einem vorangegangenen Strafverfahren die Fahrerlaubnis an den Betroffenen wieder erteilt haben. Dies geschah in den hier zu erörternden Fällen auch bei sogenannten Ersttätern, die also zuvor noch nicht mit Alkohol im Straßenverkehr auffällig geworden waren, und die mit weniger als 1,6 Promille angehalten worden waren. Diese Praxis widersprach und widerspricht dem Gesetzeswortlaut der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), die ausdrücklich die Grenze von 1,6 Promille bei Ersttätern regelt. Die Führerscheinstellen haben also unter Umgehung des Gesetzeswortlautes häufiger die MPU angeordnet, als sie eigentlich durften.

Die Folge: immer mehr Betroffene haben ihre Fahrerlaubnis im EU-Ausland erworben, um in Deutschland wieder legal fahren zu dürfen. Dies ist bekanntlich möglich und von dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausdrücklich für legal erklärt worden. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch am 6.4.2017 zum Aktenzeichen 3 C 24/15 ein Urteil gefällt, das die Praxis der Führerscheinstellen – zumindest für die Fälle der Ersttäter bei Werten unter 1,6 Promille – für rechtswidrig erklärt. Eigentlich traurig, dass eine Behörde höchstrichterlich zur Einhaltung des Gesetzeswortlautes gezwungen werden muss.

Die „Flucht“ vieler Betroffener ins EU-Ausland (auch genannt Führerscheintourismus) wird nach meiner Einschätzung gleichwohl anhalten, da die Zahl der MPU-Anordnungen weiterhin steigt.

Ein Tipp in diesem Zusammenhang: wenn man über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügt, muss diese auch für die Kosten eintreten, wenn es später zu einem Streit um die Gültigkeit der ausländischen EU-Fahrerlaubnis geht.

Dr. Henning Hartmann
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht