„Driften“ und illegales Straßenrennen

Der neue § 315 d Strafgesetzbuch (StGB) ist im Anschluss an die sogenannten „Raserprozesse“ eingeführt worden. Nun kommt es zu den ersten Urteilen und dementsprechend zu den ersten Diskussionen. Heute geht es im Zusammenhang mit dem Vorwurf illegales Straßenrennen um das sogenannte „Driften“.  

Zunächst ein kurzer Rückblick: unter anderem das Berliner Raserurteil vom Kurfürstendamm hatte für Unzufriedenheit gesorgt. Ein illegales Straßenrennen war Grund dafür, dass ein Mensch starb. Der Vorsatz zum Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB) war aber nicht nachzuweisen. Es blieb damit nur die Möglichkeit, wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu verurteilen. Das Höchstmaß: fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dies erschien vielen als zu milde, so dass der Gesetzgeber aktiv wurde.

So kam es also zum Einführen des § 315d StGB, der die Teilnahme an einem verbotenen Straßenrennen unter Strafe stellt und ein wesentlich höheres Strafmaß ermöglicht, nämlich zehn Jahre. Hier der Wortlaut:

§ 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen

(1) Wer im Straßenverkehr

1.ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2.als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3.sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Was ist überhaupt ein (illegales) Straßenrennen?

Zunächst: man kann auch alleine ein „Rennen“ fahren, ein Gegner ist nicht erforderlich. Grundsätzlich verlangt die Rechtsprechung aber, dass der Täter versucht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Denn erforderlich ist ja die Beantwortung der Frage: was ist eigentlich ein Straßenrennen? Wann erreicht man die höchstmögliche Geschwindigkeit bzw. versucht dies?

Das OLG Zweibrücken (Aktenzeichen: 1 OLG 2 Ss 34/20) hatte sich nun mit einem Fall zu befassen, in dem sich die Frage stellte, ob das sogenannte „Driften“ (hierbei wird gleichzeitig Gas gegeben und gebremst, so dass es zu einem Durchdrehen der Reifen und einem Schlingern des Fahrzeuges komm) eine solche Erzielung der höchstmöglichen Geschwindigkeit darstellen kann.

Zum Fall

Es hatte der Betroffene sich dem Einmündungsbereich eines Kreisverkehrs mit seinem schwarzen BMW-Cabrio mit hoher Geschwindigkeit kommend genähert. Unmittelbar vor der Einfahrt in den eigentlichen Kreiselbereich bremste der Angeklagte kurz ab und erblickte die in dem Innenbereich stehenden Polizeibeamten, die er auch als solche erkannte. Bei der Einfahrt in den Kreisel ließ der Angeklagte den Motor seines Fahrzeuges nun aufheulen und beschleunigte daraufhin stark, so dass das Heck des Fahrzeuges ausbrach. Anschließend fuhr er driftend durch den Kreisverkehr bis zur Höhe der Ausfahrt, in welche er ruckartig nach rechts lenkend fuhr.

Weil die Straße feucht war und wegen der hohen Geschwindigkeit brach das Heck des Fahrzeugs bei diesem Manöver nach links aus, wodurch es auf die Gegenfahrbahn geriet. Dem Angeklagten gelang es, sein Fahrzeug wieder nach rechts zu steuern. So dann beschleunigte er für ca. zwei Sekunden voll unter gleichzeitiger Betätigung der Bremse. Hierdurch erreichte er ein Durchdrehen der Hinterreifen mit Quietschgeräuschen. Daraufhin brach das Heck des Fahrzeugs erneut nach links aus, wodurch ist wieder auf die Gegenfahrbahn geriet. Der Angeklagte fing durch mehrfaches Gegenlenken sein Fahrzeug ein und fuhr anschließend unter weiterem Beschleunigen davon.

Wildwest auf der Straße also? Oder doch kein illegales Straßenrennen?

Zunächst: wann kann sich bildhaft die Polizeibeamten vorstellen, die angesichts dieses beobachteten Geschehens motiviert waren, eine möglichst hohe Bestrafung herbeizuführen. Aber so einfach ist das nicht, denn: was ist nun eine höchstmögliche Geschwindigkeit im Sinne von § 315 d Strafgesetzbuch?

Das Amtsgericht wurde vorliegend von dem OLG Zweibrücken mit dem Beschluss vom 19.5.20 (Aktenzeichen: 1 OLG 2 Ss 34/20) zurechtgewiesen, dass die Feststellungen (siehe oben) vorliegend gerade nicht zur Bejahung der höchstmöglichen Geschwindigkeitserzielungsabsicht ausreichen. Das Amtsgericht habe im Gegenteil eine „nicht tragfähige Begründung“ dafür gegeben. § 315 d Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch soll nach Auffassung des OLG Fälle erfassen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Fahrer durch den nachgestellten Wettbewerb den Verlust der Kontrolle über die Verkehrssicherheit in Kauf genommen hat .

Nach diesen Grundsätzen sei es bereits zweifelhaft, ob das objektive Element der nicht angepassten Geschwindigkeit in Bezug auf das Fahrverhalten im Kreisverkehr erfüllt sei. Hierfür sei nicht entscheidend auf die Überschreitung der am Tatort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit abzustellen, sondern darauf, ob das Fahrzeug bei der gefahrenen Geschwindigkeit noch sicher beherrscht werden konnte. Dem Angeklagten war vorliegend das Fahrverhalten seines Fahrzeuges – auch in Grenzsituationen – vertraut. Daher bestand nach Auffassung des Gerichts nicht die Gefahr, dass der Angeklagte sein Fahrzeug, zu dessen genauer technischer Ausstattung keine Feststellungen von dem Amtsgericht getroffen wurden, aufgrund der im Kreisverkehr erreichten Geschwindigkeit nicht sicher beherrschen konnte.

In dem Zusammenhang hätte es auch einer Erörterung der Frage bedurft, ob das Ausbrechen des Fahrzeugs bereits durch seine Geschwindigkeit und nicht maßgeblich durch den Umstand bewirkt wurde, dass sich dieses davor in einem „Querdrift“ befunden hatte.

Der Angeklagte habe die Polizei provozieren wollen

Der Angeklagte habe ausweislich der Urteilsgründe in Abrede gestellt, dass es ihm auf das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit angekommen seid. Er hat sich darauf berufen, dass er, wäre es ihm hierauf angekommen, nicht gedriftet hätte und nach dem Verlassen des Kreisels auch nicht absichtlich die Reifen hätte durchdrehen lassen, weil man hierdurch an Geschwindigkeit verliert. Er habe vielmehr lediglich die Polizeibeamten durch sein Manöver provozieren wollen. DAS aber war nicht angeklagt.

Ergebnis: Freispruch für den Angeklagten.

Was halten Sie von dieser Entscheidung? (hier nochmals das Aktenzeichen: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.5.20; 1 OLG 2 Ss 34/20). Schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung.