Erzwingungshaft gegen Kokain-Konsumenten?

Heute ist die Frage: kann es eine Erzwingungshaft gegen einen Kokain-Konsumenten wegen Bußgeldschulden geben? Wenn dieser sich, außer durch seine Kokainsucht, nicht von anderen Schuldnern, die verschont werden, unterscheidet?

Aber von Anfang an, damit der juristische Faden erkennbar bleibt. Die Beitreibung von Bußgeldern geht manchmal mit harten Bandagen vonstatten. Klar, wegen Bußgeldern wird auch die Zwangsvollstreckung betrieben. Was aber, wenn auch die Zwangsvollstreckung erfolglos bleibt, weil nämlich bei dem Betroffenen (= dem Schuldner) nichts zu holen ist?
Dann kann der Vollstreckungsgläubiger (so nennt sich das im Juristendeutsch) bei dem zuständigen Amtsgericht beantragen, dass Erzwingungshaft angeordnet wird. Voraussetzung ist dann allerdings, dass der Betroffene überhaupt zahlungsfähig ist (für Bußgelder ist dies in § 96 OWiG geregelt). Denn sonst lässt sich ja nun einmal nichts erzwingen.
Vorliegend hatte nun eine Stadt im Amtsgerichtsbezirk Dortmund die Erzwingungshaft gegen einen Bußgeld-Schuldner beantragt, und zwar meinte sie mit folgender Logik die Zahlungsfähigkeit belegen zu können: Der Betroffene

  • sei Kokainkonsument
  • beziehe keine Sozialleistungen
  • sei daher nach seinem „persönlichen Empfinden“ leistungsfähig.
    Mit anderen Worten: Wenn jemand keine Sozialhilfe bezieht und sich trotzdem Drogen kauft, muss er wohl auch Geld für Bußgelder haben.
    Das Amtsgericht Dortmund hat dem eine markante, gut zu lesende Absage erteilt: Entgegen der Auffassung der Behörde sei Zahlungsfähigkeit keine Gefühlslage. Aus der Tatsache, dass keine Sozialleistungen beansprucht werden, könne nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Zudem gebe es nach dem Vorbringen der Behörde ja „möglicherweise gute Chancen, im Wege der Taschenpfändung unmittelbar vor Drogenkäufen“ erfolgreich zu vollstrecken.“
    Ging es Ihnen auch so, dass Sie beim Lesen der Begründung schmunzeln mussten? Hier die Fundstelle der Entscheidung: AG Dortmund, Beschl. v. 20.7.18, A.Z. OWi 64/18 (b).