Es stellt sich im Straßenverkehr bei einer Fahrbahnverengung häufig die selbe Frage. Nämlich welches der beiden entgegenkommenden Fahrzeuge warten muss.
In einem vom OLG Schleswig im April 2020 entschiedenen Fall kollidierten die Parteien mit ihren Fahrzeugen in einer engen Kurve. Die Kurve erlaubte nur das Passieren eines der beiden Kfz. An beiden Seiten war die Kurve durch Büsche und Bäume bewachsen. Ausweislich der Beschilderung sollte der Beklagte zunächst den Vorrang bei dem Befahren haben. Vor der Kurve befand sich auf der Fahrspur des Klägers eine Haltebucht auf der rechten Seite. So dann kam es zur Kollision, als der Kläger bei der Einfahrt in die Kurve eine Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h einhielt. Es entstand erheblicher Sachschaden.
Das Landgericht war von einer Mithaftung des Klägers von 70% hinsichtlich der von ihm mit der Klage geltend gemachten Schäden ausgegangen. Diese Quote wurde von dem OLG Schleswig, soviel sei vorweg genommen, gehalten.
Verständigung bei Fahrbahnverengung gefragt
Zunächst stellte das OLG Schleswig klar, dass bei einer Engstelle, die das gleichzeitige Passieren entgegenkommender Fahrzeuge unmöglich macht, eine Verständigung der beteiligten Fahrzeugführer darüber stattfinden muss, wer die Fahrt fortsetzen soll.
Sodann ergänzte das OLG noch, dass der Regelungsgehalt des Vorrangzeichen (dies ist das Zeichen 208 zur StVO, ein schwarzer und ein roter Pfeil), also der Vorrang des gegnerischen Verkehrs, sich nicht nur auf den Zeitpunkt des Passierens des Schildes erschöpft, sondern auch für den weiteren, noch nicht übersehbaren Streckenverlauf der Engstelle gilt. Der Wartepflichtige muss gegebenenfalls auch durch Anpassung seiner Geschwindigkeit dem vorrangigen Gegenverkehr Rechnung tragen.
Dadurch, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs vorliegend den durch das Zeichen angeordneten Vorrang des gegnerischen Unfallfahrzeugs in der Kurve nicht beachtet hat, haftet er nach Auffassung des Gerichtes zu 70%.
Dafür sei es ohne Bedeutung, ob der Kläger das Fahrzeug des Unfallgegners zum Zeitpunkt des Passierens der auf der rechten Seite eingerichteten Haltebucht gesehen hat oder sehen konnte. Ausreichend ist nach Auffassung des Gerichts, dass es denkbar sei, dass durch den an der Unfallstelle vorhandenen Baumbewuchs eine Erkennbarkeit des entgegenkommenden Fahrzeuges nicht gegeben war. Hier das Aktenzeichen: OLG Schleswig, Hinweisbeschl. v. 24.4.20, 7 U 225/19.
Man kann sich also merken: wenn eine unübersichtliche Engstelle vorliegt, muss etwaiger Gegenverkehr vor dem Vorbeifahren am Hindernis beachtet werden. Liegt das Hindernis in einer Kurve und ist deshalb möglicher Gegenverkehr nicht sichtbar, muss die Geschwindigkeit erheblich herabgesetzt werden. Ansonsten kommt es stets zur Haftung. Die Quote wird dann nach den Umständen des Einzelfalles bemessen.