Gewährleistungs- und Rückgabeansprüche für VW-Kunden?

Am 22. September 2015 hat VW eingeräumt, durch den Einsatz einer Manipulationssoftware 11 Millionen Fahrzeuge so beeinflusst zu haben, dass im Rahmen von Testläufen auf einem Fahrzeugprüfstand geringere Schadstoffe/Abgase produziert werden als unter realen Fahrbedingungen.

Was ist passiert?
In den USA werden Fahrzeuge von der „Enviromental Protection Agency“ auf Schadstoffemissionen geprüft. Hier sind die Emissionsgrenzwerte bei Dieselmotoren wesentlich strenger als in Europa: Die Amerikaner erlauben nur einen Stickstoffausstoß von 50 Milligramm pro Meile, was circa 50 % dessen entspricht, was die Europäer nach der Euro-6-Norm erlauben. Die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen, die auf dem amerikanischen Markt deutlich unterrepräsentiert, da unbeliebt sind, lassen sich dabei nur mit technisch aufwändigen Mitteln reduzieren. Insofern kommt der Einsatz eines Partikelfilters und die Zugabe einer Harnstofflösung (sog. „Adblue“) in Betracht. Diese Software soll Berichten der Presse zufolge korrigierend im Bereich der Schadstoffbelastung eingegriffen haben. Außerhalb der Testläufe auf dem Prüfstand und somit im tatsächlichen Fahrbetrieb soll über ein „Switch“ die Zugabe von „Adblue“ verringert worden sein, mit der Folge, dass die Emissionen deutlich anstiegen. Als Hintergrund wurde genannt, dass im normalen Fahrbetrieb bei starker Beschleunigung, Steigungen usw. deutlich mehr giftige Abgase entstehen und der „Adblue“-Verbrauch dadurch drastisch ansteigt, mit der Folge, dass der Vorrat innerhalb kurzer Zeit in der Werkstatt aufgefüllt werden müsste – was insoweit einen Attraktivitäts- und Wettbewerbsnachteil darstellen würde. Die Software soll erkannt haben, wann ein Testlauf vorliegt und sodann auf die normale Zugabe von „Adblue“ umgestellt haben. Wie der Presse weiter zu entnehmen ist, sollen dadurch die giftigen Stickstoffoxid-Emissionen auf das bis zu 40-Fache angestiegen sein.

Volkswagen selbst hat entsprechende Pressemitteilungen zufolge angegeben, dass „Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen auffällig sein sollen und dass ausschließlich bei diesem Motortyp eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei“.

Weil aber nicht jeder Verbraucher weiß, welcher Motortyp in seinem Fahrzeug verbaut ist, fragt sich natürlich, welche Modelle konkret betroffen sein könnten. Es scheint wohl so zu sein, dass der Motor weit verbreitet ist. Einem Bericht des Tagesspiegels zufolge handelt es sich um einen „Weltmotor, der nicht nur bei VW eingesetzt wird. Der sogenannte Konzernmotor wird auch bei den Töchtern Audi, Skoda und Seat verbaut.“ Weiter heißt es: „Dadurch dürften viele Autofahrer betroffen sein, die noch gar nichts davon ahnen. Der Diesel-Motor Typ EA 189 ist in zwei Hubraum-Varianten mit einem Volumen von 1,6 und 2,0 Litern verfügbar. Damit stellt er das Gros der Diesel-Antriebe im Volkswagenkonzern und so gut wie alle Vierzylinder-Diesel im Konzern. Nach den bisher vorliegenden Informationen sind alle Motoren seit 2008 betroffen, die noch nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Und selbst bei den Motoren der neuen Generation ist noch nicht klar, inwieweit sie nicht auch manipuliert sein könnten. Klarheit kann hier wohl nur Volkswagen schaffen“. Schließlich heißt es: „Bei Volkswagen ist fast die gesamte Modellpalette betroffen. Nur der kleine VW Up, der VW Polo und die beiden großen VW Phaeton und VW Touareg werden nicht mit dem 2.0 TDI oder der Variante mit geringerem Hubraum angeboten. Ähnlich sieht es bei Seat aus. Alle Modelle oberhalb des Seat Ibiza haben den Motor Typ EA 189 im Angebot. Gleiches gilt für Skoda, wo nur für den Fabia keine Motoren vom Typ EA 189 angeboten werden. Bei Audi gibt es besagte Motoren vor allem in den Baureihen A1, A3 und A4. Aber auch der Audi A6 wird mit dem 2.0 TDI angeboten.“ Bewahrheiten sich diese Aussagen, dürften die Dimensionen riesig sein.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Betroffene?

Fahrzeughalter können inzwischen über das Portal http://info.volkswagen.de/de/de/home.html?tab=check-own-car die Fahrzeug-identifizierungsnummer (FIN) eingeben und erfahren, ob ihr Pkw von der Manipulationssoftware betroffen ist.

Soweit dies der Fall ist, kommen folgende Ansprüche in Betracht:

1. Gewährleistungsansprüche
Um die im Bereich des Schuldrechts vorgesehenen Rechte, insbesondere einen Anspruch auf Nachbesserung oder Minderung geltend zu machen oder sogar den Rücktritt erklären zu können, müsste das Fahrzeug einen Sachmangel aufweisen. Dies ist nach dem Gesetz der Fall, wenn es bei Übergabe an den Käufer nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Zu der Beschaffenheit gehören auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen – insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache – erwarten kann. Eine Ausnahme hierzu besteht nur dann, wenn der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, oder wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

Daraus folgt, dass nach dem Gesetz ein Abgaswert sowohl individuell zwischen den Parteien (so z.B. im Kaufvertrag oder der Verkaufsbeschreibung) als auch durch entsprechende Angaben in der Werbung, in Prospekten etc. vereinbart werden kann, weshalb es sich dann um eine vereinbarte Beschaffenheit handeln dürfte.

Ein Abruf von Verkaufsangeboten auf großen Internetverkaufsportalen wie mobile.de und autoscout24.de zeigt, dass ziemlich in jeder Verkaufsanzeige bereits in der Listenansicht der Suchergebnisse der jeweilige Emissionswert in g CO²/km genannt wird. Schon deshalb handelt es sich nicht um eine unbedeutende Fahrzeugeigenschaft, die für die Kaufentscheidung des Käufers weniger bedeutend sein könnte. Neben den Emissionswerten werden u.a. auch die Laufleistung, das Datum der Erstzulassung und die Fahrzeugleistung angezeigt (z.B. aber nicht die Höchstgeschwindigkeit), was deutlich macht, dass für die Annahme, „es sei für die Kaufentscheidung egal, welche Emissionen das Fahrzeug verursacht“, kein Raum sein dürfte. Außerdem: Die Kraftfahrzeugsteuer für Krafträder und Personenkraftwagen bemisst sich gemäß § 8 KraftStG nach dem Hubraum (bei Hubkolbenmotoren) und bei PKW zusätzlich nach spezifischen Schadstoffemissionen und Kohlenstoffdioxidemissionen je gefahrenem Kilometer. Der Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen ist nicht nur generell für die Kaufentscheidung von Bedeutung, sondern diese soll beeinflusst werden, indem derjenige, der ein Kraftfahrzeug mit einem geringeren Schadstoffausstoß erwirbt, steuerlich begünstigt wird. Abgesehen davon kann dem Käufer, der aus besonderem Umweltbewusstsein heraus ein Fahrzeug mit einem geringen Schadstoffausstoß erwirbt, nicht entgegenhalten werden, die Schadstoffemissionen hätten letztlich keine Auswirkungen auf die Kaufentscheidung gehabt.

Ein Sachmangel dürfte sich daher bejahen lassen mit der Folge, dass Gewährleistungsansprüche zugunsten des Käufers bestehen.

In der Rechtsfolge sieht das Gesetz sodann den Vorrang der Nacherfüllung vor. Das bedeutet, dass der Käufer den Mangel an seinem Fahrzeug durch Nachbesserung und ggf. Lieferung einer mangelfreien Sache beheben lassen kann.

Im Falle der Nachbesserung stellt sich jedoch die Frage, ob der Sachmangel tatsächlich beseitigt werden könnte:

Bewahrheitet sich z.B., dass die angegebenen Abgaswerte z.B. nur dann erreicht werden können, wenn – wie eingangs erwähnt – „Adblue“ in so hoher Konzentration zugesetzt wird, dass mit kurzen Werkstattintervallen und zusätzlichen Kosten für die Wiederauffüllung zu rechnen ist, drohen dem Käufer weitere Nachteile, die ihrerseits wiederum nicht mit der vereinbarten Beschaffenheit, wie z.B. seitens des Herstellers genannten Serviceintervallen, in Einklang zu bringen sein dürften. Darüber hinaus müsste der Käufer von zusätzlichen Wartungskosten freigestellt werden.

Eine andere Möglichkeit ist das Aufspielen eines Softwareupdates. Zweifelhaft ist aber zum einen, ob hiermit die vereinbarten Emissionswerte eingehalten werden können. Andererseits wird diskutiert, ob dies einen erhöhten Verbrauch oder einer verminderte Motorleistung bedeutet, oder auch beides. Höherer Verbrauch heißt höhere Kfz-Steuern, da seitdem in Deutschland auch nach dem CO2-Ausstoß (sowie Hubraum und Triebstoffsorte) besteuert wird und nicht nach Schadstoffklassen. Große Beträge sind allerdings nicht zu erwarten: Jedes zusätzliche Gramm CO2 (laut Normverbrauch) jenseits von 120 Gramm pro Kilometer kostet derzeit jährlich 2 Euro. Ein Mehrverbrauch von 0,3 Litern bedeutete einen um 8 Gramm höheren CO2-Ausstoß und damit eine um 16 Euro höhere Kfz-Steuer pro Jahr.

In diesem Zusammenhang wird zudem die Frage aufgeworfen, ob das entsprechende Fahrzeug an Wert verliert, weshalb Betroffenen ein Schadenersatzanspruch zustehen könnte.

2. Minderung
Kann der Mangel durch Nacherfüllung nicht beseitigt werden, steht dem Käufer ein Recht auf Minderung des Kaufpreises zu. Die Berechnung erfolgt nach dem Gesetz. Danach ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, „in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde“.

3. Rücktritt vom Kaufvertrag
Fraglich ist, ob dem Käufer ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zustehen könnte, so dass dieser dann rückabzuwickeln wäre. Dies wäre der Fall, wenn ein erheblicher Sachmangel vorliegt.
In der Wohnmobil-Entscheidung des BGH (VIII ZR 202/10) wurde entschieden, dass die Erheblichkeit eines Mangels danach zu beurteilen ist, wie hoch die Kosten zur Beseitigung sind. Wenn vorliegend ein einfaches Softwareupdate ausreicht, dürfte man kaum in den Bereich eines erheblichen Mangels kommen. Dies mag sich ändern, wenn bekannt wird, dass es – wie oben beschrieben – weitere Auswirkungen oder gar erhöhten Verschleiß gibt.

Den nachträglichen Widerruf der allgemeinen Betriebserlaubnis, der ein Rücktrittsgrund wäre, erscheint derzeit eher abwegig.

Ebenso sind falsche Angaben über Schadstoffwerte oder erhöhten Kraftstoffverbrauch durchaus problematisch, hier fehlen aber überhaupt einmal Informationen darüber, ob sich die Software jemals ausgewirkt hat (siehe hier: BGH, VIII ZR 19/05 und VIII ZR 52/96).

Möglicherweise bestehen Parallelen zur Chip-Tuning-Thematik, die ebenfalls Rücktrittsrechte auslösen kann (siehe hier: OLG Frankfurt (12 U 137/13).
Die Rechtsprechung hat bereits im Zusammenhang mit der Frage eines zu hohen Kraftstoffverbrauchs bestätigt, dass die diesbezüglichen Prospektangaben zwar im Alltagsgebrauch des konkret erworbenen Fahrzeugs nicht erreicht werden müssen, da die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit den Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen. Die im Prospekt angegeben Werte müssen aber unter den entsprechenden Testbedingungen reproduzierbar sein, was nur durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden kann.

Ein erheblicher Sachmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn nach dem Ergebnis eines solchen Sachverständigengutachtens der im Verkaufsprospekt angegebene (kombinierte) Verbrauchswert um mehr als 10% überschritten wird (so etwa BGH NJW 2007, 2111).

Überträgt man die Grundsätze auf die Abgasthematik und treffen die im Raum stehenden Vorwürfe zu, dass ohne die Anwendung der Software die Schadstoffwerte im Alltagsbetrieb um das 40-Fache im Vergleich zu den Messungen auf dem Prüfstand im Labor abweichen, stellt sich die Frage, ob die zulässigen Werte noch eingehalten werden können oder nicht. Wird die von der Rechtsprechung möglicherweise hinzunehmende Abweichung von 10 % überschritten, dürfte sich die Frage der Erheblichkeit nicht mehr stellen.

Bewahrheitet sich dann noch, dass es technisch gegebenenfalls gar nicht möglich ist, die vereinbarten Werte exakt oder aber im Ansatz zu erreichen, dürfte dies umso mehr gelten. Selbst für den Fall, dass „nur“ häufigere Werkstattaufenthalte und Zusatzkosten im Raum stünden, dürfte der Mangel nach der hier vertretenen Auffassung erheblich sein. Letztlich also ist sogar ein Rücktrittsrecht denkbar.

4. Schadenersatz
Im Falle der Erheblichkeit des Mangels hat der Käufer neben dem Rücktritt und der Minderung auch das Recht, das mangelhafte Fahrzeug zurückzugeben und an seiner Stelle den gesamten Wert der Sache (nebst Vermögensfolgeschäden wie entgangenem Gewinn) ersetzt zu bekommen.

Problem: Verjährung

Nach den bekannten Informationen dürften der Motor EA 189 etwa seit 2008 verbaut worden sein. Da für Neufahrzeuge nach dem Gesetz Gewährleistungsansprüche binnen zwei Jahren ab Lieferung/Übergabe verjähren und für Gebrauchtfahrzeuge zumeist eine verkürzte Verjährungsfrist von einem Jahr gilt, ist nicht auszuschließen, dass diese Fristen in vielen Fällen bereits abgelaufen sind, wenn die Verjährung nicht gehemmt wurde. Aber: es gilt die allgemeine Verjährungsfrist (bis zu 10 Jahre), wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Hier dürfte es jedoch regelmäßig daran scheitern, dass der Verkäufer NICHT der Hersteller (VW) direkt ist, sondern einer seiner Vertragshändler. Dann ist es jedoch so, dass nicht der Verkäufer arglistig gehandelt hat (sondern eben der Hersteller). Bei einer solchen Konstellation kann dem Verkäufer die Arglist des Herstellers nicht zugerechnet werden. Es sei denn, der Käufer kann beweisen, dass der Verkäufer den Mangel kannte und ebenfalls arglistig verschwiegen hat. Aber das dürfte schwer fallen.

Der Rücktritt und die Minderung unterliegen als Gestaltungsrechte jedoch grundsätzlich nicht der Verjährung. Jedoch ist der Rücktritt unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Verkäufer die Einrede der Verjährung erhebt (!).
Bei einer längeren Werksgarantie können sich auch danach noch Ansprüche ergeben, allerdings in der Regel nicht auf Rücktritt – siehe Garantiebedingungen.

Insbesondere für Fahrzeuge, die in den Jahren 2013 bis heute 2015 an den Endkunden veräußert und geliefert wurden, dürfte somit die Prüfung und gegebenenfalls Einleitung verjährungshemmender Maßnahmen sinnvoll sein, um sich mögliche Ansprüche zu erhalten.

Eine Verjährungsfrist von drei Jahren besteht dann, wenn deliktische Ansprüche – hier insbesondere unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung, dazu nachfolgend – in Betracht kommen. Auch in diesem Fall dürfte es zweckmäßig sein, verjährungshemmende Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu ergreifen.

5. Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung
Ein deliktischer Schadenersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäufer besteht dann, wenn der Rechtsgrund Kaufvertrag entfallen ist. Dies ist möglich, wenn der Kaufvertrag z.B. wegen arglistiger Täuschung angefochten wurde. Problematisch ist, dass der Täuschende der Verkäufer sein muss und nicht – wie hier – der Hersteller VW.

Eine Zurechnung des Verhaltens des Herstellers gegenüber dem Verkäufer ist von Gesetzes wegen nur möglich, wenn der Verkäufer die Täuschung kannte oder kennen musste. Ob dies der Fall ist, wird bei der Frage nach der Anfechtbarkeit der betreffenden Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung zumindest nach deutschem Recht eine entscheidende Frage sein.

Lässt sich die Arglist bejahen und berücksichtigt man die schon jetzt recherchierbaren Informationen, lässt sich ein Anfechtungsrecht anhand der Gesamtumstände nicht ausschließen:

• In den USA soll das US-Justizministerium nach entsprechenden Berichten bereits strafrechtliche
Ermittlungen aufgenommen haben. Gegenstand könnten hier sowohl mögliche Straftaten wie Betrug
als auch mutmaßliche Verstöße gegen Umweltgesetze sein. Weiterhin soll es so sein, dass die
Staatsanwaltschaft in Braunschweig prüft, ob sie ebenfalls ein Ermittlungsverfahren einleitet.
• Zwar soll BOSCH Bauteile, die hier relevant sein könnten, geliefert haben, die Komponenten seien
aber „nach Spezifikation von Volkswagen gefertigt worden und die Verantwortung für Applikation
und Integration der Komponenten liege bei VW.“ Aus den Unterlagen der US-Umweltbehörde soll
zudem hervorgehen, dass VW selbst die Software zur Manipulation der Abgasnachbehandlung
programmiert hat.“

Daraus folgt, dass offensichtlich planvoll und zielgerichtet gehandelt worden sein dürfte, VW sich insbesondere nicht auf den Einkauf von fertigen Bauteilen beschränkt hat, sondern selbst maßgeblich handelnd die Vorgänge gelenkt und in die gewünschte Richtung geleitet hat. Es dürften daher zielgerichtet die Emissionswerte im Zuge der Laborprüfung beeinflusst worden sein, obwohl diese im tatsächlichen Betrieb deutlich höher sind. Dass die Zielsetzung insoweit der Verkauf von Fahrzeugen und eine bessere Marktposition gewesen sein dürfte, und zwar insbesondere auf dem „Dieselkritischen“ amerikanischen Markt, dürfte dabei auf der Hand liegen.

Es wird aber wohl die Auffassung vertretbar sein, dass sich dieses Verhalten gerade auch auf das Kaufverhalten und den Kaufentschluss deutscher Kunden ausgewirkt haben könnte: In Zeiten, in denen die ökologischen Gesichtspunkten des PKW-Betriebs immer stärker in den Vordergrund gerückt werden, sind – wie vorstehend schon ausgeführt – die „klassischen“ Fahrzeugmerkmale wie Leistung, Höchstgeschwindigkeit und Platzangebot längst nicht mehr allein maßgebend, sondern gerade auch die ökologischen Eigenschaften des Fahrzeugs, somit auch die Emissionswerte, zumal sich daran die zu leistende Kraftfahrzeugsteuer bemisst, weshalb sich diese Werte auch im „Portemonnaie“ des Kunden bemerkbar machen.

Dadurch, dass Emissionswerte durch den Einsatz von Manipulationssoftware nach unten geschönt werden, wird in jedem Fall auch Einfluss auf den Kaufentschluss des Kunden genommen. Ein Fahrzeug mit deutlich höheren Werten wäre am Markt nämlich nicht konkurrenzfähig.
Nur dann, wenn die Emissionswerte einen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben, lohnt die Manipulation – es dürfte daher sogar so sein, dass es VW einzig und allein um die Beeinflussung der Kaufentscheidung gegangen ist.

Fazit:
Im Ergebnis dürften Gewährleistungsansprüche prinzipiell in Betracht kommen, wobei auch ein Anfechtungsrecht nicht generell ausgeschlossen erscheint. Betroffene sollten sich schriftlich an den Autobauer (VW) wenden und sich die Schadstoffwerte für ihr Auto bestätigen lassen. In dem Schreiben empfiehlt sich ein Hinweis darauf, dass man sich rechtliche Schritte vorbehält, wenn falsche Angaben gemacht werden sollten. Liegen die Werte über den Vorgaben, sollten Kunden eine kostenlose Nachbesserung einfordern. Diesbezüglich kann eine Erstberatung bei einem Anwalt sinnvoll sein.

Stefanie Petersdorff
Rechtsanwältin