Bei dem neuen Geschwindigkeitsmessgerät ES 8.0 stellen sich ein paar neue, aber auch viele alte Fragen. Insbesondere: sind alle Messungen verwertbar?
Über viele Jahre was das Messgerät ES 3.0 des Herstellers ESO GmbH eines der am meisten eingesetzten Geräte zur Geschwindigkeitsmessung. Es handelt sich um einen sogenannten Einseitensensor. Hierbei steht das Messgerät seitlich zur Fahrbahn und misst auf Höhe des gemessenen Fahrzeuges. Dies bedeutet auch, dass es beim Heranfahren nur schwer oder gar nicht sichtbar ist. Erst wenn es „zu spät“ ist, sieht der Fahrer das Gerät.
Nun war in der Vergangenheit bei ES 3.0-Messungen häufig Thema, dass Messungen aus unterschiedlichen Gründen unverwertbar sein können. Die Folge: Verfahrenseinstellung oder Freispruch. Wie sieht es also mit dem Nachfolger, dem Gerät ES 8.0, aus? In der Folge beschränke ich mich auf die Punkte, die Einfallstor für die Geltendmachung von möglichen Messfehlern sein können, die also für den Verteidiger wichtig sind.
Das Gerät ES 8.0 ist bereits seit 2017 auf dem Mark und wurde seitdem in großer Stückzahl an die messenden Behörden verkauft und ausgeliefert. Wie bei dem Vorgängermodell ES 3.0 handelt es sich um einen Einseitensensor. Hierbei erfolgt die Messung über eine schlichte Weg-Zeit-Messung. Hierbei liegen die Messstrecken zwischen den beiden äußeren Sensoren (hier 50cm Messstrecke) und zwischen den jeweils äußeren Sensoren und dem mittleren Sensor (hier 25cm Messstrecke).
Gemessene Fahrzeuge werden über eine digitale Fotoeinrichtung aufgenommen und gespeichert. Zugleich werden Uhrzeit und Datum, sowie die Messituation im digitalen Messfoto abgespeichert. Die Daten werden in einer signierten Datei gespeichert und sodann auf ein USB-Speichermedium abgegeben.
In der Sensoreinheit ist ein sogenannter „Schocksensor“ eingebaut, der Messungen nach einer Fallhöhe von ca. 30cm unmöglich machen soll. Hier sind wir gleich bei einem Ansatzpunkt für Verteidiger. Es wird häufig mit Erfolg geltend gemacht, dass irgendein Ereignis während des Messeinsatzes einen Neustart des Gerätes erforderlich gemacht haben könnte. Hierzu kann nicht nur ein Umkippen des Gerätes gehören, sondern auch ein Verstellen durch Ruckeln. Schließlich wird häufig an vielbefahrenen Straßen gemessen, an denen es erhebliche Erschütterungen gibt. Eine Feststellung, ob ein solches den Neustart erforderlich machendes Ereignis vorgelegen hat, ist aber nur möglich, wenn die Gesamte Messsequenz, also die Daten aller Messungen an dem Messtag, der Verteidigung bzw. dem von ihr beauftragten Gutachter übermittelt wird. Ansonsten kann eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht (§ 147 StPO) vorliegen. Ob ein „Schocksensor“, der ja nach Herstellerangaben nur Stürze aus einer Fallhöhe von 30cm berücksichtigt, dieses Problem beseitigt, darf stark angezweifelt werden.
Neu ist bei ES 8.0 ein WLAN-Router, der ein Kommunizieren aller Geräteteile über eine WLAN-Infrastruktur möglich macht, wobei während des Messbetriebs über ein Virtual Private Network (VPN) kommuniziert wird. Hier wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob diese Art der Kommunikation tatsächlich sicher und unangreifbar ist. Jeder, der mit kabellosen Bedienteilen zu tun hatte, wird schon einmal die Erfahrung gemacht haben, dass dies häufig nicht der Fall ist.
Weiterhin wird bei dem neuen Gerät der Einsatz einer Neigungswasserwaage vorgeschrieben. Dies war und wird daher weiterhin ein Ansatzpunkt für Verteidiger sein: Ist die Neigungswasserwaage von dem Bedienpersonal vorschriftsmäßig bedient worden? Hier ist weiterhin eine „händische“ Übertragung des Straßenneigungswinkels auf den Messsensor nötig. Eben mithilfe der vom Hersteller mitgelieferten Neigungswasserwaage. Auszugehen ist hier von einem Wert von etwa zwei Grad Schrägstellung, bei dem sich ein zuungunsten Abweichender Messwert ergeben kann.
Die Batterie ermöglicht einen Betrieb von lediglich maximal acht Stunden. Wenn der Messeinsatz länger dauert, kann von der Verteidigung daher die Unverwertbarkeit aller Messungen geltend gemacht werden.
Selbstverständlich muss auch das neue Gerät ES 8.0 gültig geeicht sein. Nach wie vor ist daher von der Verteidigung zu hinterfragen, ob von dem Messbeamten überprüft wurde, ob alle Eichsiegel vorhanden unversehrt sind. Denn schließlich erlischt durch das Öffnen einer der Sicherungsmarken die Eichgültigkeit. Die Folge: Die Messung darf nicht mehr verwendet werden, der Betroffene ist freizusprechen.
Die Messung darf nur durch ein geschultes Bedienpersonal erfolgen. Hierbei muss die Schulung auf 8.0 entweder durch den Hersteller, oder durch die Aus- und Fortbildungsstelle der Polizei erfolgen.
Bei Beginn des Messeinsatzes muss der Messbeamte zwar keine Gerätetests von sich aus durchführen. Beim Einschalten laufen interne Gerätetests ab und das Gerät zeigt Fehlermeldungen, wenn es zu Problemen beim Hochfahren kommt. Ob dies der Fall war, ist jeweils durch eingehende Zeugenbefragung zu klären.
Die Gebrauchsanweisung gibt weitere Hinweise, die das Bedienpersonal zu beachten hat. Wenn dies nicht der Fall ist, kann ein Beweisantrag zum Erfolg führen. Zunächst hat der Messbeamte die Bedienungsanleitung sorgfältig zu lesen. Beim Transport des Gerätes müssen alle Batterien entnommen werden. Die Batterien dürfen auch nicht tiefentladen worden sein. Der Transport darf nur in den dafür vorgesehenen Transportkoffern erfolgen.
Reparaturen dürfen nur von dem Hersteller oder eine ausdrücklich (vom Hersteller!) autorisierte Servicestelle erfolgen. Reparaturen am Sensorarm dürfen nur von dem Hersteller selber vorgenommen werden.
Weiterhin problematisch kann die Dokumentation der Fotolinie sein. Dies ist die Linie parallel zur Blickrichtung der Messeinheit. Ihre Position wird in einem Fotolinienbild festgehalten. Hierbei ist die Darstellung von zwei Kegeln (Pylonen), oder aber eine durchgehende Linie erforderlich. WICHTIG: Die Fotolinie ist neu zu dokumentieren 1.) vor jedem Messeinsatz, aber auch 2.) bei jeder Änderung der Aufstellung. Die Fotolinie dient der Überprüfung der Zuordnungssicherheit, was insbesondere bei hintereinander fahrenden Kfz von Relevanz ist.
Eine erhöhte Annulierungsrate, also wenn eine Vielzahl von Messungen durch das Gerät angezeigt wird, kann ebenfalls ein Zeichen für einen Defekt sein. Diese ist also zu erfragen und ggf. zum Gegenstand eines Beweisantrages zu machen.
Auch das neue Gerät ist nur unter der Bedingung ein „Standardisiertes Messverfahren“, wenn es entsprechend der Bedienungsanleitung benutzt wurde. Dies ist durch Zeugenbefragung zu klären. Wenn, wie so häufig, gar kein Messbeamter geladen wurde, ist der Verlesung des Messprotokolls zu widersprechen und ein entsprechender Antrag zu stellen, gerichtet auf Einvernahme des Zeugen. Übergeht das Gericht diesen Antrag, ist die Verurteilung aufzuheben. Der Amtsrichter muss sich nun einmal von der Einhaltung der Verfahrensvoraussetzungen überzeugen (vgl. u.a. OLG Dresden, DAR 2005, 226).
Fazit: Neben den bereits beim Vorgängermodell 3.0 ergebenden Ansatzpunkten kann der findige Verteidiger beim Nachfolgermodell sogar noch ein paar weitere Einfallstore für eine mögliche Fehlerhaftigkeit der Messung geltend machen.