Urteil im Millionen-Raubprozess in Berlin: Haftstrafen zwischen dreieinhalb und acht Jahren und ein Freispruch

Gestern (18.7.) kam es zur Verkündiung des Urteils im 49 Millionen – Prozess von Berlin. Ausgeurteilt wurden Haftstrafen zwischen dreieinhalb und acht Jahren, sowie ein Freispruch

Nachdem wir über neun Monate lang bzw. an 38 Verhandlungstagen den 49 Millionen – Prozess vor dem Kriminalgericht Berlin für Sie verfolgt haben, erging nun gestern, Donnerstag, 18. Juli 2024, vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin das Urteil gegen die fünf Angeklagten. Die Tatbeute bleibt weiterhin verschwunden. Die Zeit in der Untersuchungshaft wird auf die jeweils verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.
Der Vorsitzende verkündete das Strafmaß.

• für Kenan S.: sieben Jahre und vier Monate (Bewährungsbruch, Mehrzahl an Tatbeiträgen, versuchte Brandstiftung zur Verschleierung der Spuren, Diebstahl mit Waffen, erheblicher Sachschaden, hoher Beutewert)

• für Muhammet H.: acht Jahre (plante die Tat nach Überzeugung der Kammer, erhebliche Vorstrafen, versuchte Brandstiftung zur Verschleierung der Spuren, Diebstahl mit Waffen, erheblicher Sachschaden, hoher Beutewert)

• für den Inhaber der Tresoranlage und Kronzeugen Thomas S.: drei Jahre und sechs Monate (die Haftverschonung wird aufgehoben, Beihilfe, Mittäterschaft , Ermöglichen der Straftat , keine Kenntnis von der Brandstiftung)

• für Mahmoud M.: vier Jahre und vier Monate (Beihilfe, Erstellung der vorgetäuschten Bewerbungsunterlagen des Schein-Sicherheitsunternehmens, Verladen der Beute usw.)

• für Bilall M.: Freispruch und Haftentschädigung

Nach der Urteilsverkündung konnten sich alle im Hochsicherheitssaal 500 befindlichen Personen wieder setzen und der Vorsitzende begründete das Urteil. Richter Mattern betonte, dass nicht nur ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Auch die ideellen Schäden seien enorm. So sprach der Vorsitzende von einer Geschädigten, die als Zeugin über ihren Schließfachinhalt aussagen sollte. Die Geschädigte schrieb dem Vorsitzenden darauf, dass sie nicht in der Lage sei, sich gemeinsam mit den Personen in einem Raum zu befinden, die ihr alles genommen hatten: die Geschädigte verlor zuvor ihre Tochter und hatte das Erbe, die Erinnerungsstücke, gemeinsam mit Wertgegenständen im Schließfach gelagert. Die Geschädigte schrieb dem Vorsitzenden: „Ich bin gebrochen“. Was muss das für ein unfassbarer Schmerz sein, wenn wertvolle Erinnerungen an das verstorbene Kind einfach weg sind. Auch hatten einige Zeugen während des Prozesses ausgesagt, dass sie ideelle Werte wie Familienerbstücke sicher in der Schließfachanlage des Kronzeugen lagern wollten. Selbst in den Tagen kurz vor der Tat schauten sowohl der Betreiber der Schließfachanlage (Kronzeuge Thomas S.) als auch einige der – als neue Sicherheitskräfte getarnte – Mittäter späteren Geschädigten vertrauensvoll in die Augen, während diese glaubten, ihre Wertgegenstände gerade sicher in ihren Schließfächern zu lagern. Die Mittäter gingen nach eigenen Aussagen wohl davon aus, dass der Inhalt der Schließfächer versichert sei. Der lammfromm wirkende Kronzeuge bewarb seine Schließfachanlage mit hunderten von Schließfächern und anderen Sicherheitsräumen als „Seriös. Sicher. Diskret“. Ein Schaf im Wolfspelz, wie sich später herausstellte.

Der Vorsitzende erklärte, dass das Gericht nur fünfzehn der 295 Geschädigten anhören konnte. Außerdem kann nicht genau festgestellt werden, welche Werte sich zum Tatzeitpunkt in welchem Schließfach befanden. Teilweise haben die Geschädigten auch keine Kaufbelege mehr, es waren Geschenke wie Schmuck und Uhren dabei usw. Deshalb wurde der 49 Millionen – Schaden „zugunsten der Angeklagten“ auf nur 17,6 Millionen herunter korrigiert.

Es sei eine Tat mit „sehr hohem Organisationsgrad“ gewesen, es wurde mit sehr hoher krimineller Energie vorgegangen, so der Vorsitzende. „Von wem die Idee gekommen ist, die Schließfächer auszuräumen, vermochte die Kammer nicht aufzuklären“, sagte der Vorsitzende Richter Mattern. Zum Strafmaß des Kronzeugen (drei Jahre und sechs Monate) sagte der Vorsitzende, dass Thomas S. zwar Aufklärungshilfe geleistet habe, sein Tatbeitrag aber ebenfalls sehr hoch sei. „Ohne ihn wäre es nicht gegangen.“ Trotz einiger Aufklärung entdeckte das Gericht beim Kronzeugen immer wieder auch „Beschwichtigungs- und Beschönerungstendenzen“. Das Tatmotiv des Kronzeugen war nach Würdigung der Beweise, dass Thomas S. vor allem seine eigenen finanziellen Defizite ausgleichen wollte. S. besaß zum Tatzeitpunkt mehrere Immobilien, einen Fuhrpark, andere Unternehmen uvm. Durch die monatelange Geldwäsche wollte Thomas St. nach Auffassung der Kammer die Bilanzen seiner eigenen Unternehmen aufblähen, um diese dann zu einem höheren (gefälschten) Wert verkaufen zu können. Die Kammer ist überzeugt, dass der Kronzeuge vom Verbleib der Beute allerdings nichts weiß und deshalb nichts dazu sagen konnte.

Richter Mattern äußerte dann, wie schwierig er die Prozesstaktik der Verteidigung während des gesamten Prozesses und vor allem bei der Zeugenbefragung fand. Weiterhin stellte der Richter fest, dass dem Mitangeklagten Mahmoud M. (vier Jahre und vier Monate) „aus Hierarchie-Gründen“ eine Rolle zugesprochen werden sollte, die das Gericht jedoch nicht für glaubwürdig hielt. Zum Freispruch von Bilall M. erwähnte der Vorsitzende, dass das Gericht nicht aufklären konnte, wessen Idee die Tat letztendlich war. Es stand „Aussage gegen Aussage“, wenn auch nicht klassisch. Deshalb hieß es für Bilall M.: „In dubio pro reo“ – Im Zweifel für den Angeklagten. So muss es heißen , wenn nach abgeschlossener Beweiswürdigung noch Zweifel verbleiben. „Lieber ein Schuldiger frei, als ein Unschuldiger im Gefängnis“ so der Richter.

Für wen von den Angeklagten später eine vorzeitige Haftentlassung, die sogenannte „Zweidrittelstrafe“ (§ 57 Abs. 1 StGB) in Frage kommt, werden die Verteidiger sicherlich prüfen. In diesem Fall könnte nach verbüßten zwei Dritteln der Strafe der Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei einer Freiheitsstrafe von acht Jahren könnte der Angeklagte bereits nach etwas über fünf Jahren aus der Haft entlassen werden. Bei einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wäre eine vorzeitige Entlassung nach zweieinhalb Jahren möglich.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da noch ein Rechtsmittel (Revision) eingelegt werden kann. Ob dies passiert, wird selbstverständlich ebenfalls Gegenstand unserer Berichterstattung sein.

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