Schuldlos in einen Unfall verwickelt

(Oranienburg) Schuldlose Opfer von Verkehrsunfällen müssen zunehmend um ihr Geld kämpfen. Wer heute meint, dass er bei einem schuldlosen Verkehrsunfall problemlos an sein Geld kommt, der erlebt häufig eine böse Überraschung. Die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung versucht vielfach berechtigte Ansprüche zu kürzen oder ganz abzulehnen, oft mit fatalen Folgen für das Unfallopfer. Schadenpositionen werden gekürzt oder komplett gestrichen. Insbesondere bei einer Abrechnung nach Gutachten (fiktive Abrechnung) machen die Versicherer Probleme.

Ein Artikel des Nachrichtenmagazins „Stern“ berichtete anschaulich, wie die Versicherungsbranche knausert. So werden Sachverständigengutachten, die der Geschädigte bei der gegnerischen Versicherung einreicht, regelrecht zerpflückt, dies unter Mithilfe von externen Helfern, sog. „Schadenprüfern“. „Stern“ berichtet, dass die Gutachten in den Rechner eingelesen werden, dort in alle Einzelteile zerlegt und danach Ziffer für Ziffer mit Konkurrenzpreisen verglichen werden. Sobald der Computer ein günstigeres Angebot einer Discount Werkstatt findet, werden diese Preise von der Versicherung als Grundlage der berichtigten Kalkulation herangezogen. Für das Unfallopfer fatal, denn er muss befürchten, dass der ausgelöste Werkstattauftrag nicht vollständig von der gegnerischen Versicherung übernommen wird. ABER: die Kürzungen sind unzulässig. Nur in extremen Ausnahmefällen können die Versicherer auf billigere Alternativwerkstätten verweisen. Im Normalfall müssen Sie das zahlen, was im Gutachten steht. Nur weiß das doch der durchschnittliche Anspruchsteller gar nicht. Er bekommt Post von der Versicherung und denkt häufig, er muss die Kürzungen akzeptieren. Wenn dies nur in 10-20% der Fälle klappt, ist das Geschäft für die Versicherung grandios.

Weitere Beispiele für unberechtigte Kürzungen: Die Position „Wertminderung“ wird einfach und ohne Begründung gestrichen. Dabei weiß jeder, dass ein Unfallwagen – nach der Reparatur – auf dem Markt weniger wert ist. Aber es geht munter weiter mit den Kürzungstricks, anders kann man es nicht mehr nennen. Auch die Wiederbeschaffungswerte für neue Autos werden gegenüber dem Geschädigten-Gutachten erheblich reduziert. Schadenprüfer verdienen gut an den Kürzungen: Nach der Recherche von „Stern“ verdienen die externen Versicherungshelfer etwa 10 % Honorar von der Summe, die sie der Versicherung einsparen. Ist das rechtsstaatlich? Nein, es ist erschreckend, denn für den Geschädigten ist nicht mehr nachvollziehbar, ob diese Kürzungswut die Grenzen zur Willkür überschritten hat.

Oftmals wird übersehen, dass es sich bei der gegnerischen Versicherung um die gegnerische Partei handelt. Hinzu kommt: Viele Geschädigte wissen nicht, dass sie das Recht haben, mit der Durchsetzung Ihrer Ansprüche einen Verkehrsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen, am besten einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Und zwar auf Kosten der Versicherung des Unfallverursachers.

Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht (Oranienburg)