Sind die Kürzungstricks der Versicherungen strafbar?

Eine Versicherung, die prompt eintritt und sämtliche Ansprüche des Geschädigten korrekt und anstandslos reguliert? Das war einmal. Nach dem Verkehrsunfall fängt häufig der Ärger erst an. Immer stärker werden die Bestrebungen der Versicherungen, berechtigte Ansprüche der Geschädigten zu kürzen, zurück zu weisen oder zumindest die Regulierung zu verzögern. Die Versicherungen sparen jährlich dreistellige Millionenbeträge, indem sie z.B.

  • zu beeinflussen versuchen, in welcher Werkstatt der Geschädigte repariert (nämlich eine preiswerte, mit der Versicherung verbundene)
  • keinen Hinweis auf bestimmte Schadenposten geben (Wertminderung, Nutzungsausfall, ganz zu schweigen von Haushaltsführungsschaden, hohe Schmerzensgeldsummen usw.)
  • Kürzungen bei Stundenverrechnungssätzen, Ersatzteilpreisen usw. vornehmen, wenn der Geschädigte nach Gutachten abrechnet.

Diese Taktik der Versicherungen geht häufig auf. Nach der x-ten Abwehr der Ansprüche durch wohlformulierte Schreiben sind viele zermürbte Geschädigte geneigt, sich auf ein zu niedriges Abfindungsangebot einzulassen. Sie merken oft nicht einmal, dass sie durch diese Kürzungstricks betrogen worden sind.

Doch nun formuliert sich (endlich) Widerstand. Das Bundesjustizministerium prüft derzeit, ob die Versicherungen per Gesetz zu einer korrekten Regulierungspraxis gezwungen werden müssen. Ausweislich eines Schreibens der Bundesjustizministerin an die Landesjustizverwaltungen, mehren sich Beschwerden. Es gebe Handlungsbedarf, denn Versicherungen nutzen die stärkere Position aus mit dem Ziel, den „Anspruchsteller in zermürbenden Rechtsstreitigkeiten zur Aufgabe des Anspruchs oder zu einem für den Versicherer günstigen Vergleich zu bewegen“. Es wird also über den Erlass von Gesetzen nachgedacht, die den Versicherungen das grundlose Kürzen verbieten und die Erfüllung der berechtigten Ansprüche fördern soll.

Vielleicht reicht aber auch das derzeitige Gesetzeswerk auch schon aus. Denn ein Amtsrichter aus Berlin (Verkehrsgericht Berlin-Mitte) ist gar der Meinung, die Strafgesetze seien bei vielen Kürzungen durch die Versicherungen einschlägig. In seinem Beschluss weist er die in seinem Rechtsstreit beklagte Versicherung darauf hin, „dass hier wieder einmal durch die Beweiserhebung die wahrheitswidrigen Angaben eines Haftpflichtversicherers zur behaupteten Höhe der Stundenverrechnungssätze widerlegt sind. Es bleibt vorbehalten, die Sache wegen des Verdachts des Prozessbetruges durch die Mitarbeiter der beklagten Haftpflichtversicherung der Staatsanwaltschaft vorzulegen (!), da bei der Regulierung einer Vielzahl von Kfz-Haftpflichtschäden Geschädigte durch das Aufstellen falscher Behauptungen zur Höhe der allgemein zugänglichen Stundenverrechnungssätze getäuscht worden sind“.

Das ist starker Tobak. Noch einmal ganz langsam: der Zivilrichter äußert den Verdacht, dass die Kfz-Haftpflichtversicherungen systematisch und vorsätzlich die Geschädigten betrügen, indem sie ihnen vorgaukeln, geringere Ansprüche zu haben, als dies der Fall ist. Hoffen wir, dass diese Stradpauke und die Bestrebungen der Bundesjustizministerium wirken. Bis auf weiteres gilt aber: keine Unfallregulierung ohne anwaltliche Unterstützung. Ansonsten laufen Sie Gefahr, bares Geld zu verschenken. Denn sobald ein Geschädigter die Unfallregulierung ohne Anwalt versucht, wittert die Versicherung ihre Chance auf Kürzungen. Dies entspricht absolut der Erfahrung des Unterzeichners.