Unfall bei Spurwechsel / Reißverschlussverfahren – wer haftet?

Thema heute: Unfall bei Spurwechsel. Wer die Fahrspur wechselt und mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, haftet voll. So weit, so klar. Was ist aber bei einem Unfall im Reißverschlussverfahren?

Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel, so spricht auch beim sogenannten „Reißverschlussverfahren“ der Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes, unfallursächliches Verhalten des Spurwechslers.

Folgender Fall war von dem OLG Saarbrücken (Urteil vom 1.8.2019, Aktenzeichen 4 U 18/19) zu entscheiden: der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug eine Straße, um über die davon abgehende Zufahrtstraße auf die Autobahn aufzufahren. Der Beklagte befuhr von der Brücke kommend ebenfalls die Zufahrtstraße. Diese verläuft zunächst zweispurig, bis der rechte Fahrstreifen auf den linken aufgeführt wird.

Nach dem Ende des rechten Fahrstreifens ist dort eine schraffierte Sperrfläche aufgebracht. Der verbleibende linke Auffahrtstreifen mündet schließlich spitzwinklig in die an dieser Stelle zweispurige Bundesautobahn.

Unfall beim Spurwechsel: Der Spurwechsler trägt die Verantwortung

Der Kläger wechselte mit seinem Fahrzeug nach der Auffahrt beider Fahrzeuge auf die Zufahrtsstraße auf den rechten Fahrstreifen. Im Anschluss an diesen Fahrstreifenwechsel kam es aus zwischen den Parteien streitigen Umständen zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Die rechte Vorderseite des Pkw des Beklagten kollidierte mit der linken Heckseite des Pkw des klägerischen Fahrzeuges.

In dieser Konstellation ist, ungeachtet des Reißverschlussverfahrens, eine Haftung desjenigen in vollem Umfang begründet, der den Fahrstreifen gewechselt hat. Man kann sich also merken, dass grundsätzlich derjenige, der den Fahrstreifen wechselt, die Verantwortung für eine Kollision trägt. Der Spurwechsler kann sich NICHT darauf verlassen, dass ihm der Vortritt (bzw. die Vorfahrt) eingeräumt wird.

Darüber hinaus stellte das Gericht für den vorliegenden Fall klar, dass der Spurwechsler auf einer Autobahnauffahrt dann in jedem Fall haftet, wenn er unter Überfahren einer schraffierten Sperrfläche unzulässigerweise rechts überholt. In diesem Fall tritt dann die Betriebsgefahr des überholten Fahrzeuges bei der Haftungsabwägung vollständig zurück.

Die Folge: Der Spurwechsler bzw. seine Versicherung muss voll für den Schaden eintreten.