Verhandlungstag am 29.2.2024 im Prozess um den Berliner Tresorraub (Fasanenstraße)

Geständnis gegen Straferlass? Wenn niemand weiß (oder wissen will?) was dem Kronzeugen versprochen wurde

Als die Verhandlung am 29. Februar 2024 pünktlich um 9.30 Uhr vom Vorsitzenden eröffnet wurde und der erste Zeuge hereingebeten wurde, konnten die Verfahrensbeteiligten nicht ahnen, dass dessen Befragung bis nach 15 Uhr dauern würde. Und auch, dass der Leiter der Ermittlungsgruppe sich teilweise nicht erinnern kann bzw. keine Aussagegenehmigung hat und deshalb diverse und sehr wichtige Fragen nicht beantwortet, war nicht vorherzusehen. Die Frage, wie der Deal für den Kronzeugen „Geständnis gegen Straferlass“ denn zustande kam, wurde auch heute nicht beantwortet.

Herr W., Kriminalkommissar, ist der erste Zeuge des Tages. Er ist Teil der Ermittlungsgruppe Fasanenstraße. Seine Aufgabe ist vorrangig die Vernehmung von Zeugen. Auch hat er die technische Analyse der verfälschten Bewerbungsunterlagen der scheinbar neuen Sicherheitsfirma vorgenommen. Er schilderte auf Nachfrage ein weiteres Mal, wie der Angeklagte und ehemalige Geschäftsführer der „Vallog GmbH“ in der Fasanenstraße 77 bei der ersten Wahllichtbildvorlage den Mitangeklagten Muhammet H. nicht als „Mo“ erkannt hat, bei den Videosequenzen dann aber doch.

Die Bilder werden gezeigt, von den Videos erscheinen verschiedene Standbilder. Das Video Nummer vier zeigt eindeutig den Angeklagten Muhammet H. Es folgen viele Nachfragen der Verteidiger über das Zustandekommen der Lichtbildvorlagen. So wird der Zeuge von den Verteidigern beispielsweise befragt: „Unter welchen Kriterien kam denn die Auswahl der Lichtbilder zustande?“ „Zu welcher Tageszeit wurden die Aufnahmen gezeigt?“

Der Kriminalkommissar konnte sich an viele Details nicht erinnern. Außerdem berief sich dieser auch immer wieder darauf, dass er keine Aussagegenehmigung hätte. Zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wer die Vergleichspersonen in den Videos sind und wie diese Auswahl überhaupt zustande gekommen ist.

Auf die Bemerkung des Zeugen, dass er den Eindruck gehabt hätte, dass der Angeklagte und Kronzeuge Thomas S. Schwierigkeiten habe, Personen auf Fotos wiederzuerkennen, konterte ein Verteidiger mit der Feststellung, dass er das in früheren Verfahren sehr wohl und sehr gut konnte.

Weiterhin geht es bei der Zeugenaussage um den Komplex Casper-Theyß-Straße in 14193 Berlin. Das ist der Ort, wo sich der Kronzeuge S. mehrfach mit dem „Mo“ getroffen haben soll. Es werden etliche Fotos gezeigt. Rechtsanwalt B. weist darauf hin, dass sich in dieser Straße allerdings auch das Martin-Luther-Krankenhaus befindet, sodass auch die Notaufnahme aufgesucht worden sein könnte. Ebenso sei die Straße immer sehr belebt, was nicht gerade für einen passenden Ort für diskrete Treffen spricht.

Nach einer kurzen Unterbrechung begann 15.30 Uhr die Vernehmung des zweiten Zeugen. Herr S. ist der Leiter der Ermittlungsgruppe. Er hatte nach der Tat den ehemaligen Mit-Geschäftsführer Herrn G. befragt, der seitdem plötzlich verhandlungsunfähig ist und noch gar keine Aussage gemacht hat.

Der Leiter der Ermittlungsgruppe hatte zum Zeitpunkt der Vernehmung keine Beeinträchtigung bei Herrn G. feststellen können. Allerdings hatte der Mit-Geschäftsführer bei ihm zumindest den Eindruck erweckt, dass er tatsächlich verzweifelt war und sich die Tat nicht erklären konnte. Doch was heißt das schon? Vor allem in diesem Fall? Ein Fall, in dem der Geschäftsführer Thomas S. ohne Not und völlig eigennützig einen Deal mit Mitgliedern einer Großfamilie abspricht und dann eingeht, um noch mehr Millionen zu besitzen. Und wo der eine Partner dieses Deals (Thomas S.) die mutmaßlichen anderen Partner dieses „Geschäfts“ bei der erstbesten Gelegenheit direkt ans Messer der Behörden liefert, um sich selbst mal wieder Vorteile zu verschaffen. Ein Kronzeuge, der sich und seine Familie seit vielen Monaten auf Staatskosten 24 Stunden am Tag besonders beschützen lässt und der es mit der Wahrheit offenbar nicht so genau nimmt. Der quasi alles und jeden belogen und getäuscht hat.

Auf die berechtigte Frage der verteidigenden Rechtsanwälte, wie es denn nun genau zu dem Deal um den Zeugenschutz des Herrn S. gekommen war, berief sich der Leiter der Ermittlungsgruppe – Überraschung – auf eine fehlende Aussagegenehmigung. Diese Informationen sind aber gerade für die Verteidigung von besonderem Interesse. Ohne genaue Informationen lässt sich gerade bei besonders relevanten Themen nur schwer eine faire Verteidigung aufbauen.

Allerdings gab der Zeuge an, dass ihm keine konkreten Drohungen gegen den Kronzeugen Thomas S. seitens der Mitangeklagten bekannt sind.

Auch die Frage, ob er von der Presse – insbesondere von Herrn H. vom „Spiegel“, der regelmäßig über Clankriminalität berichtet – zum vorliegenden Fall kontaktiert worden ist, wollte der der Zeuge mit der Begründung „irrelevant“ nicht antworten. Aha, jetzt bewerten also die Zeugen, was für die Verteidigung wichtig ist. Ebenfalls nicht beantworten wollte der Zeuge die Frage, ob seine Ermittlungsgruppe jemals den vom Kronzeugen angegeben Schaden von 1,4 Mio. Euro aus vorangegangen Geldwäschegeschäften plausibel nachrechnen konnten. Hier berief er sich mehrfach auf die Zuständigkeit der Finanzermittlung, deren Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. Weitere Fragen der Anwälte, die vom Zeugen nicht beantwortet wurden: „Hat der damalige Mit-Geschäftsführer bei seiner Vernehmung über Morddrohungen gegen ihn gesprochen?“ „Haben Sie Erkenntnisse zur Anzeige der BayernLB gegen den Kronzeugen?“ „Wie kam es zur Auslieferung des Mitangeklagten S. aus der Türkei, obwohl nicht einmal ein Antrag dazu gestellt wurde?“

Der nächste Termin wurde für den 11. 03. angekündigt. Wir berichten hier für Sie darüber.