Vorfahrtsberechtigter mit hoher Annäherungsgeschwindigkeit: Mithaftung!

Kann den Vorfahrtsberechtigten bei „rechts vor links“ eine Teilschuld treffen? Fährt ein Vorfahrtsberechtigter mit hoher Annäherungsgeschwindigkeit, so kann es zur Mithaftung kommen.

Vorfahrtsfälle sind in aller Regel, was die Haftungsaufteilung angeht, eindeutig. Regelmäßig trifft den Wartepflichtigen das volle Verschulden. Oder in der Juristensprache: die Betriebsgefahr des Berechtigten tritt zurück. Wie in diversen (vermeintlich einfachen) straßenverkehrsrechtlichen Konstellationen bestätigen jedoch auch hier Ausnahmen die Regel.

Heute soll es um die Konstellation der sogenannten „halben Vorfahrt“ gehen. Sofern die Vorfahrt nicht durch Verkehrszeichen geregelt ist, gilt der Grundsatz „rechts vor links“. Es ist hier, da von rechts kommende Fahrzeuge Vorrang haben, natürlich nur mit der gebotenen Vorsicht und Bremsbereitschaft an die Kreuzung heran zu fahren.

Und genau hier liegt die Möglichkeit doch noch die Gegenseite in die Haftung zu holen. Also denjenigen, der eigentlich „recht“ in Form von Vorfahrt hat.

Bei rechts vor links kann den Vorfahrtsberechtigten eine Teilschuld treffen

Verlässt sich ein Verkehrsteilnehmer darauf, dass von rechts „schon nichts kommen“ werde und man zur linken Seite ja vorfahrtsberechtigt ist, und wird mit hoher Geschwindigkeit in die Kreuzung hinein gefahren, kann es bei einem Unfall zu einer Mithaftung bis zu einem Drittel des Vorfahrtsberechtigten kommen. Insofern ist dann aber im Prozess vorzutragen, dass die regelmäßig aus den Fahrzeugschäden heraus zu rekonstruierende Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten so hoch gewesen ist, dass er einem von rechts kommenden Vorfahrtsberechtigten seinerseits nicht mehr den Vorrang hätte einräumen können. Dies ist also die entscheidende Überlegung.

Dieser Vortrag ist dann im (Zivil-) Rechtsstreit notwendig. Aber auch ausreichend, damit ein Sachverständiger unter konkreter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten vor Ort feststellen kann, ob der Vorfahrtsberechtigte die abstrakte Annäherungsgeschwindigkeit überschritten hatte, oder eben nicht.

Sollte sich im Rahmen der Rekonstruktion ergeben, dass der Vorfahrtsberechtigte nicht nur die abstrakte Annäherungsgeschwindigkeit, sondern sogar auch die vor Ort erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte, kann dies zu einem noch höheren Mithaftungsanteil des grundsätzlich vorfahrtsberechtigten führen.

Fazit: Vorfahrt zu haben bedeutet nicht in jedem Falle, von jeder Haftung freigestellt zu werden. Es muss gleichwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten werden. Und es ist eine angemessene Annäherungsgeschwindigkeit zu fahren.