Zweiter Prozesstag im 49-Millionencoup von Berlin: erste Aussagen von Polizeibeamten

Am zweiten Prozesstag in dem Berliner Raub („49-Millionencoup“) wird es nun spannend. Heute gab es erste Aussagen von Polizeibeamten

Pünktlich um 9:30 Uhr öffnet sich die Tür zum zweiten von voraussichtlich 22 geplanten Prozesstagen im 49-Millionencoup, bei dem in der Berliner Fasanenstraße 77 der Tresorraum mit Schließfächern sowie die Räume der Firma „Watchmaster“ ausgeräumt wurden. Gesamtwert: über 49 Millionen Euro.

Für heute, 12. Oktober 2023, sind vier Polizeibeamte geladen worden. Sie sollen erste Aussagen dazu machen, wie sie den Tatort vorfanden.

Der Richter verkündete zuerst, dass es neue Eingänge in der Ermittlungsakte gibt. Und zwar dergestalt, dass ein zweites anthropologisches Gutachten (Bewertung von Bildmaterial aufgrund morphologischer Merkmale zur Identifizierung bzw. Wiedererkennung von Personen) vorliegt. Dieses besagt, dass ein Angeklagter nicht – wie im ersten Gutachten angenommen – anhand der Aufnahmen eindeutig identifiziert werden kann. Danach fuhr der Richter mit einer kurzen Erläuterung des heutigen Beweisprogramms fort und es wurde der erste Zeuge aufgerufen. Da dieser noch nicht anwesend war, wurde die Verhandlung unterbrochen. Nach zehn Minuten ging es weiter.

Der Polizeibeamte Herr K., 28, erklärte, dass er und ein Kollege am Tattag, 19. November 2022, aufgrund einer ausgelösten Alarmanlage gegen 20:10 Uhr mit dem Streifenwagen am Tatort eintrafen. Vor Ort waren bereits Einsatzkräfte der Hundertschaft. Beim Eintritt in das Gebäude der Fasanenstraße sind Herrn K. ein beißender Geruch sowie weißer Rauch aufgefallen, woraufhin er die Feuerwehr alarmierte. Da diese kein Feuer feststellte, zog sie wieder ab. In Richtung Keller, wo sich auch der Tresorraum und die Räume des Uhrenhändlers „Watchmaster“ befanden, fielen Herrn K. ein beißender chlorähnlicher Geruch sowie mit schwarzer Farbe übersprühte Kameras auf. Auch Rollwagen, die wahrscheinlich zum Transportieren des Diebesguts verwendet wurden, bemerkte Herr K. Er sagte weiter aus, dass er sich während des Wartens auf die Kollegen der Kriminalpolizei umgesehen hätte und keine Beschädigungen oder Einbruchspuren feststellen konnte.

Als zweiter Zeuge erschien der Kriminalbeamte Herr H., 35. Er ist für die Direktion „K1“ (kriminalistische Ermittlung) tätig und wurde mit seiner Kollegin Frau G. zur Unterstützung bei der Sicherung beweisrelevanter Tatortspuren hinzugerufen. Herr H. befragte zuerst einmal den ehemaligen Geschäftsführer der „Vallog GmbH“ und jetzigen Kronzeugen Thomas S. Dieser gab an, dass er zuvor mit der Sicherheitsfirma „Flash-Security“ Kontakt gehabt hätte und vier Security – Mitarbeiter dieser Firma zu Geschäftszwecken zuvor auch durch alle Räumlichkeiten geführt hätte. Darüber hätte er unterschriftliche Dokumente. Allerdings, so der Kriminalbeamte, hatten die angeblichen Mitarbeiter nur mit Vornamen unterschrieben, die Ausweispapiere wurden – wie sonst üblich – seltsamerweise auch nicht kopiert. Diese Dokumente sicherte der Kriminalbeamte direkt vor Ort.

Herr H. bezeugte weiter, dass er keinerlei Einbruchspuren feststellen konnte. Der ehemalige Geschäftsführer Thomas S. äußerte gegenüber dem Beamten, dass er auf dem Überwachungsbild (Standbild) einen Mitarbeiter der Sicherheitsfirma (ich vermute, dass es sich wahrscheinlich um den Angeklagten und selbsternannten „Experten“ in Sachen Sicherheitssysteme Kenan S. handelt) erkennen würde. Spuren in den Kellerräumen (Tresorräume) konnte der Kriminalbeamte nicht sichern, weil damit schon die Kriminaltechnik beschäftigt war. Herrn H. fielen jedoch auch die mit Farbe besprühten Kameras auf. Die Suche nach weiteren Kameras blieb erfolglos. Lediglich in der Tiefgarage mit Zufahrt über den rechten Hinterhof gab es weitere Überwachungssysteme.

Der dritte Zeuge, der Polizeibeamte Herr D., 31, erklärte, dass bei seinem Eintreffen bereits die 34. Einsatzhundertschaft vor Ort war. Auch er bemerkte besprühte Kameras und sprach von Rauch – und Gasentwicklung im Kellergeschoss. Und auch ihm fiel auf, dass es keine Spuren eines Einbruchs gab. Das ließ den Hern D. auch direkt vermuten, dass der Zugang zum Tresorraum und zu den Schließfächern ein „Insider – Job“ gewesen sein muss. Anders ließ sich jedenfalls nicht erklären, wie die Täter mehrere meterdicke Sicherheits – Stahltüren sowie verschiedene hochmoderne Sicherheitssysteme (inklusive verschiedenster Schlüssel und diverser Zugangscodes) in unterschiedlichen Räumen umgehen konnten. Der Beamte entschloss sich sodann, das LKA 63 (Spezialeinsatzkommando des Berliner Landeskriminalamts) mit ins Boot zu holen.

Der letzte Zeuge des heutigen Prozesstages war der 25jährige Kriminalbeamte Herr D. Er wurde für die kriminaltechnische Untersuchung angefordert. Da die CO-Warner lautstark Alarm signalisierten (erhöhte Kohlenmonoxidkonzentrationen), war der innere Tresorraum nicht betretbar. Die Vorräume (vor den Tresorräumen) konnten allerdings schon untersucht werden. Auch hier vernahm Herr D. schon einen beißenden Geruch. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um ätzendes und giftiges Natrium-Hypo-Chlorid, womit sämtliche DNA-Spuren verwischt wurden. Dies erschwerte den Mitarbeitern des Kriminaltechnischen Instituts (LKA KTI) die Arbeit erheblich. Außerdem fielen dem Kriminalbeamten Benzinkanister und Autoreifen auf, die angezündet worden sein müssen.

Als der Beamte sich weiter umsah, traf er im Gebäude einen Rechtsanwalt mit seiner Tochter an. Der Anwalt hat seine Kanzleiräume im Gebäude der Fasanenstraße und berichtete, dass er, seine Tochter und ein paar andere Personen sich am Tattag, einem Samstag, unüblicher Weise in der Kanzlei aufhielten, weil dort eine Feierlichkeit stattgefunden hätte. Dabei fiel dem Rechtsanwalt ein Audi auf, der auf seinem (Rechtsanwalt) Parkplatz parkte. Daraufhin schrieb er den Audi sofort zur Fahndung aus.

Der Richter präsentierte nun die gesicherten Bildaufzeichnungen des Tatortes und befragte den Kriminalbeamten zu Einzelheiten. Dieser erklärte ausführlich, wo sich Eingänge, Türen usw. befanden. Bei dieser Vorführung vernahm ich ein tiefes Atmen unseres Mandanten und Geschädigten, Herrn Dirk H., der auf diesem Weg zum ersten Mal sein leergeräumtes Schließfach sah.

Am Montag, 16. Oktober 2023, geht es um 9:30 Uhr weiter im Prozess. Dann soll über das Brandgutachten gesprochen werden.

Der für die meisten viel interessantere Teil des Prozesses beginnt jedoch am 06. November 2023. Dann wird der Kronzeuge und ehemalige Geschäftsführer Thomas S. auspacken…

Wir werden berichten, versprochen.