Kein Fahrverbot!

Aus dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot ergibt sich, dass eine besondere Härte Anlass sein kann, dass ein Fahrverbot, das in einem Bußgeldverfahren grundsätzlich verwirkt wurde, wegfällt.

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Fällen, die von den deutschen Gerichten entschieden wurden. Denn es ist bei den Massendelikt Verkehrsordnungswidrigkeiten sehr häufig das Bestreben des Betroffenen, dass Fahrverbot nicht antreten zu müssen. Das OLG Bamberg hat sich in einem Beschluss vom 28.12 2015 (AZ 3 Ss Owi 1450/15) mit einem Fall auseinanderzusetzen gehabt, in dem der Betroffene durch ärztliche Atteste belegen konnte, dass er aus gesundheitlichen Gründen weder mit Fahrmöglichkeiten als Beifahrer, noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann. Daher sei er auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs als Fahrer angewiesen. Weiterhin konnte er darlegen, dass die Verhängung des Fahrverbotes zu Ertragseinbußen bei ihm führen würde.

Das OLG Bamberg hat darauf hingewiesen, dass ergänzend dargelegt werden muss, dass die erheblichen Ertrags-oder Gewinneinbußen weiter insofern ausgeführt werden müssen, dass diese mit einer drohenden Existenzgefährdung einhergehen. Denn nur dann sei das Tatgericht gehalten, entsprechenden Behauptungen des Betroffenen im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht weiter nachzugehen.

Zwar folge aus der einschlägigen Vorschrift (§ 4 Abs. 1 S. 1  Bußgeldkatalogverordnung) nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht NJW 1996,1809). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warnfunktion eines Verbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann durch das Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäbe des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat hierbei das Rechtsbeschwerdegericht die Bewertung des Tatrichters zu akzeptieren. Und zwar auch dann, wenn es (das Rechtsbeschwerdegericht) selbst hinsichtlich der Frage des Fahrverbots zu einem abweichenden Ergebnis gelangt.

Grundsätzlich kann ein Ausnahmefall für ein Absehen vom Fahrverbot, wie zum Beispiel der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust der sonstigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage begründen. In dem vorliegend vom OLG Bamberg entschiedenen Fall war dies jedoch nicht gegeben. Das OLG rügte, dass die Beweiswürdigung bereits lückenhaft sei, was die Frage anbelangt, ob es die Betroffenen nicht durch die Inanspruchnahme eines Fahrers oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich gewesen sein sollte, seinen Geschäften auch während der Vollstreckung des Fahrverbotes nachzugehen. Hierbei hatte sich das Amtsgericht auf eine ärztliche Bescheinigung berufen, ohne deren Inhalt wiederzugeben. Daher konnte der Senat des OLG nicht beurteilen, welche Diagnose der Arzt aufgrund welcher Erhebungen gestellt hat. Insbesondere in diesem Fall offen, ob die bescheinigte Erkrankung lediglich aufgrund der eigenen Angabe des Betroffenen festgestellt wurde oder durch Objektive, wissenschaftlichen Standards gerecht werdende Funderhebungen auch belegt wurde.

Das Amtsgericht habe insgesamt keine konkrete Existenzgefährdung als Folge der Verhängung eines Fahrverbotes für die Dauer von einem Monat festgestellt. Es, das Amtsgericht beruft sich lediglich darauf, dass der Betroffene für diesen Fall einen „hohen wirtschaftlichen Schaden erwarte“ nach Auffassung des OLG kann unter Zugrundelegung dieser Feststellung von einer Existenzgefährdung gerade nicht ausgegangen werden.

Man sieht auch an dieser Entscheidung wieder, dass die Hürden für die Annahme der Unverhältnismäßigkeit der Verhängung des Fahrverbotes hoch sind. Hier bedarf es einer sorgfältigen Verteidigungsstrategie.