Auf ein Wort: Bußgeld-Abzocke

Die Geschwindigkeitskontrollen nehmen insbesondere in Oberhavel weiter stark zu, das Magazin „Focus“ sprach in seiner Dezemberausgabe erstmals von staatlich geplanter Abzocke. Neulich bei dem Amtsgericht war es dann wieder so weit. Der „geblitzte“ Beschuldigte erklärte, seiner Meinung nach stehe der Blitzer an dieser Stelle nur aus fiskalischen Gründen, also zur Bußgeld-Abzocke. Daraufhin zuckte die Richterin die Achseln und erwiderte: „Na und, ist das etwas Neues?“ Die Beitreibung von Bußgeldern im Straßenverkehr wird also als Einkunftsquelle des Staatssäckels akzeptiert, ohne dass die Verkehrssicherheit als Argument überhaupt noch vorkommt.

Nun kann man resigniert die Auffassung vertreten, dass man eh in allen Lebensbereichen zur Kasse gebeten wird, warum nicht auch im Straßenverkehr. Und doch lauert hier eine große Gefahr. Und zwar aus folgendem Grund.

Wird man von der Polizei bei dem Übertreten einer Vorschrift erwischt, sollte die Ahndung die Wirkung eines Denkzettels haben. Man soll möglichst zu der Einsicht kommen, dass man sein Verhalten, z.B. zu schnelles Fahren, zum Vorteil aller möglichst schnell ändert. Dies und nichts anderes ist der Sinn von Bußgeldern. Wenn die Polizeibeamten sich nun nicht mehr in der Rolle des (letztendlich hilfreichen) Mahners, sondern nur noch des Abkassierers wieder finden, ändert sich auch die Reaktion des Bürgers. Er wird sein Verhalten nicht überdenken, sondern nur noch nach Wegen suchen, die Strafe zu umgehen. Der Staat beraubt sich einer seiner wichtigsten Autoritäten.

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass immer mehr Einsprüche gegen Bußgeldverhängungen eingelegt werden. Wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht, kann dies sogar ohne Kostenrisiko geschehen. Überlastete Richter, die eigentlich wichtigere Fälle zu verhandeln hätten, sind die Folge.

Aber auch weniger legale Methoden sind im Kommen: Radarwarngeräte, mitlaufende Parkscheiben usw. haben Hochkonjunktur. Es gibt Autofahrer, die sich nur noch vermummt ans Steuer setzen, um ein identifizierbares Foto zu verhindern. Kann das wirklich der richtige Weg sein?

Der Verfasser dieses Artikels ist Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).

Die Kanzlei Dr. Hartmann & Partner betreibt Büros in Berlin und Oranienburg (Tel. 03301 – 53 63 00).