Auffahrender nicht immer schuld

Bei einem Auffahrunfall ist der „Hintermann“ nicht automatisch und zwangsläufig allein haftbar. Das geht aus einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken (Aktenzeichen: 4 U 209/04-31/05 – Urteil vom 19.07.2005) hervor. Dies gilt demnach insbesondere auf Autobahnen, wenn es wegen eines plötzlichen Spurwechsels des vorausfahrenden Fahrzeugs zu dem Unfall gekommen ist. In diesen Fällen sei eine gemeinsame Haftung durchaus angemessen, entschied das OLG. Das Gericht gab mit seinem Urteil der Berufung eines Autofahrers gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Saarbrücken statt. Der Mann war mit seinem Wagen auf einer Autobahn auf ein vorausfahrendes Fahrzeug aufgefahren. Er argumentierte, der Autofahrer habe plötzlich die Spur gewechselt. Dagegen führte der Unfallgegner aus, der Auffahrende habe den nötigen Sicherheitsabstand nicht eingehalten. Das Landgericht verurteilte den „Hintermann“ deshalb dazu, zwei Drittel des Schadens zu übernehmen. Das OLG kam nun zu dem Ergebnis, das Landgericht habe vorschnell nach dem Grundsatz entschieden, wonach der Auffahrende stets schuld sei. Wenn sich der Unfallhergang nicht zweifelsfrei klären lasse und die Angaben des Auffahrenden durchaus nachvollziehbar seien, müsse es regelmäßig zumindest zu einer Haftungsteilung kommen.

Achtung: neben der geschilderten (zivilrechtlichen) Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz kann ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat (bei Körperschäden fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB) oder einer Ordnungswidrigkeit eingeleitet werden. Will man ein Fahrverbot oder den Eintrag von Punkten in Flensburg vermeiden, sollte möglichst früh ein Verkehrsanwalt eingeschaltet werden. Insbesondere sollte nach Zustellung eines Bußgeldbescheides unbedingt die zweiwöchige Einspruchsfrist beachtet werden. Die Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt werden von der Verkehrsrechtsschutzversicherung übernommen.

Der Verfasser dieses Artikels ist Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).

Die Kanzlei Dr. Hartmann & Partner betreibt Büros in Berlin, Bielefeld und Oranienburg (Tel. 03301 – 53 63 00).