Ausbremsen ist keine Gefährung?

Ausbremsen ist keine Gefährdung. So sieht es zumindest ein Gericht in Bayern in diesem Fall.

Im heutigen Fall geht es um einen (mittlerweile pensionierten) Polizeibeamten, der durch sehr rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr auffällig geworden ist. In der letzten Instanz wurde festgestellt, dass das Ausbremsen eines anderen Fahrzeugs keine Verkehrsgefährdung darstellt (BayObLG – Az.: 203 StRR 287/24, Vorinstanz: LG Nürnberg, Urteil v. 22.02.2024 – Az.: 22 NBs 706 Js 106768/22). Und so kam es dazu:

Im Dezember 2021 fuhr der Polizeibeamte mit seinem Fahrzeug auf einer Bundesstraße hinter einem schweren LKW, der über sechzehn Meter lang war. Der LKW fuhr 68 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit für Lkw über 7,5 Tonnen beträgt gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2c der Straßenverkehrsordnung (StVO) 60 km/h. Dem Polizisten war die Geschwindigkeit des vor ihm fahrenden LKW jedoch nicht schnell genug, sodass er diesen in einer Rechtskurve mit 100 km/h überholte. Der Polizist scherte sodann bei einer Entfernung von etwa fünfzehn Metern vor dem LKW direkt wieder ein und bremste bei Tempo 100 so stark, dass er fast zum Stehen kam. Das Notbremssystem des LKW brachte diesen zum Stillstand. Der Polizist begründete seine Vollbremsung später damit, dass er den geschädigten LKW-Fahrer dadurch ebenfalls zu einem unvermittelten Bremsmanöver zwingen und ihn gleichzeitig maßregeln wollte. Als beide Fahrzeuge an der nächsten Ampel aufeinander trafen, beleidigte der Polizist den LKW-Fahrer zusätzlich mit „Du Wi…“

Unfassbar oder? Und wenn Sie nun denken, dass neben der Beleidigung bei so einem rücksichtslosen Verhalten mindestens auch eine Gefährdung des Straßenverkehrs im Raum steht, liegen Sie falsch. Denn das Gericht entschied anders als zuvor vom Landgericht angenommen, dass das Fehlverhalten des Polizeibeamten erst nach Abschluss des Überholens eintrat und deshalb nicht von § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB abgedeckt wird (Bundesgerichtshof, Beschluss v. 28. 09. 2011 – Az.: 4 StR 420/11).

In der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts hieß es dazu „Nutzt der Überholende nicht die spezifische Überholsituation aus, sondern nimmt den verkehrsfeindlichen Eingriff lediglich bei Gelegenheit des Überholvorgangs vor, indem er sein Fahrzeug nach dem Einscheren zur Disziplinierung oder zu „Strafzwecken“ scharf abbremst, fehlt es an der besonderen Gefährlichkeit des Überholens..“

Mein Rat hierzu lautet gleichwohl: Nehmen Sie Rücksicht aufeinander, statt sich gegenseitig zu maßregeln. Denken Sie daran, es muss nicht immer glimpflich ausgehen. Und dann kann es ganz schnell um die Fahrerlaubnis gehen.


Dr. Henning Hartmann
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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