Berliner Tresorraub: Zahlt die Versicherung?

Es geht um viel Geld. Zahlt die Versicherung im Fall des 49 – Millionen – Einbruchs in die Berliner Schließfach- und Tresoranlage der „Vallog GmbH“ in der Berliner Fasanenstraße?

Diese Frage stellen sich derzeit die Geschädigten. Denn eins ist klar: Die Geschädigten werden leider kaum bis gar nicht über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert. Dem Antrag eines unserer Mandanten (der in der Fasanenstraße 77 der Schließfach- und Tresoranlage der „Vallog GmbH“ ebenfalls ein Schließfach angemietet hatte) als Nebenkläger auftreten zu können, wurde nicht entsprochen. Viele Geschädigte fragen sich berechtigterweise: „Wie geht es denn jetzt weiter? Wird die Mannheimer Versicherung den Schaden bezahlen müssen?“ Und genau deshalb verfolgen wir jeden einzelnen Prozesstag für Sie. Wir möchten Sie so gut wie möglich über diesen spektakulären Tresorraub informieren, der mindestens noch bis Anfang 2024 vor dem Kriminalgericht Moabit verhandelt wird.

Sehr interessant ist dabei natürlich die Frage, inwiefern sich die Mannheimer Versicherung bisher dazu geäußert hat. Und auch das erfahren Sie jetzt und aus erster Hand wieder einmal von uns…

Um es so unkompliziert wie möglich für Sie zu gestalten, folgt nun das Gedächtnisprotokoll unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Frau Ines Neubauer. Sie berichtet vom 10. Prozesstag vor der 6. Strafkammer Berlin – Moabit: 30.November 2023 – 09:40 Uhr, Saal B 700.

Richter Mattern setzt die Beweisaufnahme fort und ruft den Zeugen Andreas N., (61), aus Mannheim auf. Dieser ist
Versicherungsfachwirt der Mannheimer Versicherungs-Gesellschaft (MVG). Herr N. erscheint mit einem Rechtsbeistand, mit dem RA Dr. Conrad Schmidt (MELCHERS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Mannheim.

Fragen des Vorsitzenden Mattern

Frage: Welche Aufgabe haben Sie bei der Mannheimer Versicherungs-Gesellschaft (MVG)?
N.: Bei der MVG bin ich mit der Sachverhaltsfeststellung beauftragt und koordiniere die erforderlichen Aufgaben durch die Fachabteilungen bei der Schadensabwicklung.

Frage: Welche Vertragsverhältnisse hat die MVG?
N.: Zu klären sind die Versicherungs-Sachverhalte bei
a) valvero / vallog
b) Watchmaster

Frage: Ist jedes Schließfach einzeln versichert oder alle Schließfächer in einer Versicherungssumme?
N.: Jedes Schließfach hat eine Grundabsicherung in Höhe von 30.000 EUR. Da die Schließfachinhaber die Inhalte eigenständig ändern können, schwanken die Werte. Daher werden die Schließfächer entsprechend ihrem aktuellen Inhaltswert jedes Quartal nachbewertet. Die aktualisierten Inhaltswerte werden in einer Quartalsmeldung (Excel-Liste) an die Versicherung gegeben, daraus wird der jeweilige Versicherungsbeitrag für die Schließfächer errechnet. Zuletzt lag der MVG die Liste für die Monate August bis Oktober 2022 vor.

Frage: Wie viele Schließfächer hatten die Unternehmen vallog und Watchmaster?
N.: aus meiner Erinnerung waren es bei der vallog ca. 300 Schließfächer, die genaue Zahl müsste ich nachschauen. Bei Watchmaster lagerten 2022 in Regalen hochpreisige Uhren namhafter Hersteller in Höhe von ca. 22 Mio. EUR.

Frage: Welche Grundbedingungen müssen für die Versicherung der Schließfächer erfüllt sein?
N.:

  • der Lagerort:
    da die vallog über einen ehemaligen Hochsicherheits-Tresor verfügte, war diese Grundforderung
    erfüllt.
  • eine Risikobeschreibung,
    die vorliegt.
  • Verschlußvorschriften
  • Sicherheitstechnik (EMA, Brand, Video).

Frage: Hat die MVG diese Bedingungen bei der vallog geprüft?
N.: Der Kunde (vallog) ließ sich durch einen Makler vertreten, zu dem bestand der Kontakt.

Frage: Wie erfolgte die Absicherung des Kundenverkehrs?
N.: Über eine Schleuse (Zutritt), die Tresortür und die Anwesenheit von zwei Sicherheitsmitarbeitern. Die Tresortür war entweder offen oder geschlossen, woraus sich ein unterschiedliches Zutrittsrisiko ableitet, das ebenfalls von der MVG bewertet wurde.

Frage: Wann wurde der MVG der bevorstehende Wechsel des Sicherheitsunternehmens WISAG
bekannt?
N.: Ich denke, es war am 07.November 2023 durch die vallog.

Frage: Wurde ein Grund für den Wechsel angegeben?
N.: ja, wegen einer anstehenden vertraglichen Preiserhöhung um 25%

Frage: Wurde das neue Sicherheitsunternehmen „Flash-Security“ durch die MVG überprüft?
N: Ich glaube, die Unterlagen wurden durch den Makler vorgelegt. Wie bekannt, stellte sich erst später heraus, dass es „Fake“-Unterlagen waren, die vorgelegt wurden.

Frage: Hatte die vallog Beitragsrückstände bei der MVG bzw. wusste die Versicherung von möglichen Zahlungsschwierigkeiten der vallog?
N: nein, das war im Zeitraum vor dem Ereignis nicht ersichtlich.

Frage: Wie viele Schadensanzeigen gab es bei der Versicherung seitens der vallog?
N.: es sind 276 Schließfächer, die Schadensabwicklung befindet sich im laufenden Prozess.

Frage: Wie hoch ist der Schaden bei Watchmaster?
N.: der Schaden durch abhanden gekommene Marken-Uhren (Kommissionsware) beläuft sich auf ca. 14 Mio EUR.

Frage: Gibt es einen Nachweis, was genau fehlt?
N.: es liegen Listen vor, auch hier befindet sich die Schadensabwicklung noch im laufenden Prozess.

Frage: Die MVG hat Gespräche mit Herrn S. (Anmerkung der Redaktion: Herr S. war Geschäftsführer der Schließfachfirma vallog und sagt im Prozess als Kronzeuge aus) geführt, was wurde besprochen?
N.: ja, das waren Gespräche, um versicherungsintern den Sachverhalt aufzuklären. Hierbei ging es um den Geschäftsbetrieb der vallog, den konkreten Schadenshergang, Schadenminimierung, Übergabe der Schlüssel.

Frage: Hatten Sie bei den Gesprächen mit Herrn S. diesen darüber informiert, dass er in den Sachverhalt (Ereignis) involviert sei?
N.: nein.

Frage: Wirkten die im Gespräch durch Herrn S. abgegebenen Erklärungen auf Sie plausibel?
N.: Sein Verhalten war von uns nicht ganz nachvollziehbar, wie solche neuen Sicherheitsmitarbeiter eingesetzt werden konnten.

Frage: Wie hoch waren die monatlichen Versicherungsbeträge der vallog?
N.: das kann ich aus der Erinnerung nicht beantworten, das liegt nicht in meinem Aufgabenbereich, das kann ich bei uns im Hause erfragen und nachreichen.

Fragen des Staatsanwalts Kiworr

Frage: Warum wurde Watchmaster noch nicht seitens der Versicherung bezahlt?
N.: der Schadensfall ist in der laufenden Prüfung und ist daher noch nicht abgeschlossen.

Fragen der Verteidiger der Mitbeschuldigten

RA Conen fragt:

Frage: Herr L. (WISAG) hatte Gespräche mit der vallog hinsichtlich bestehender Außenstände. Hatte die Mannheimer Versicherung Kenntnis darüber, warum Herr S. nicht zahlte?
N: im Nachhin. Es sollen Zahlungsschwierigkeiten bestanden haben.

Frage: Hat Herr S. der Versicherung mitgeteilt, dass es neue Geschäftsfelder gibt?
N.: nein, das ist mir nicht in Erinnerung.

Frage: Hat Herr S. in Ihren Gesprächen erwähnt, dass die WISAG eine Kostenerhöhung vornimmt?
N.: ja

Frage: Hat die Versicherung die Bonität der vallog geprüft?
N.: das ist ein üblicher Vorgang.

Frage: Hat die Versicherung die Gründe für den Zahlungsverzug geprüft?
N.: soweit erinnerlich, wurde mit Herrn S. darüber gesprochen.

Frage: Hat die Versicherung irgendeinen Schaden reguliert?
N.: die Deckungsprüfung ist noch nicht abgeschlossen, die Schadenanerkennung muss
geprüft werden. Die Mannheimer Versicherung kann ja nicht „mal eben zum Beispiel 150.000 EUR auf Zuruf“ zahlen.

RA Frings fragt:

Frage: Blieben die Versicherungsprämien gleich?
N.: die Beiträge wurden quartalsweise angepasst, für jede Schließfach-Nummer, das lief über die valvero, dazu kann ich selbst keine Auskunft geben, es liegt nicht in meinem Aufgabenbereich.

Frage: Wer bei der Versicherung kann darüber Auskunft geben?
N.: die zuständige Fachabteilung – die Betriebsabteilung, Dokumentation

RA Becker fragt:

Frage: Wer war bei der Befragung von Herrn S. dabei (das war ja eine ganze „Crew“)?
N.: Die Versicherung hat dazu drei Akten an die Staatsanwaltschaft übergeben.
RA Becker: ja, es ist hier aber eine mündliche Verhandlung. Es werden ihrerseits mehrere Namen aufgezählt. Wer hat denn diese Recherchen durchgeführt, Sie?
N.: nein, wir beauftragen Externe mit diesen Aufgaben, in dem Fall die Firma MRI, die sich u.a. mit dem Geschäftsmodell beschäftigen und zu Punkten recherchieren, die nicht plausibel sind.

Frage: Was ist dabei rausgekommen? Welcher Punkt hat sich für Sie nicht erschlossen?
N.: Es wurden Punkte zur Einschätzung des Schadenshergangs und zu Zusammenhängen bekannt, die für die Versicherung bislang noch nicht schlüssig erklärbar waren.

Frage: Das hinterlässt den Eindruck, als ob Herr S. durchleuchtet wurde. Sieht es so aus, als ob Herr S. mitgewirkt hat?
N.: es sind alles übliche Vorgänge bei der Schadenuntersuchung, die der Versicherer vorzunehmen hat.

Frage: Wurde das „Kiosk Geschäft“ von Herrn S. (Südkiosk Betriebs GmbH, seit Februar 2021 ) auch mit untersucht?
N.: wie bereits gesagt, das gehört mit dazu, offene Punkte zu erschließen.

Frage: Wurden Umsatzzahlen erfragt?
N.: ja, betreffend des Goldgeschäfts.

Frage: Wurde Geld umgewälzt?
N: zu diesen Vorgänge sind die Erkenntnisse noch offen.

Frage: Erfolgten Recherchen zur Vergangenheit vor dem zweiten Gespräch mit Herrn S.?
N.: das weiß die Firma MRI.

Frage: Welches Gefühl hatten Sie aus den Recherchen?
N.: im Nachhinein weiß man vieles besser, zu Anfang war da schon der Eindruck, dass Herr S. recht vielfältig in seinen geschäftlichen Aktivitäten war.

Frage: Gab es persönliche Äußerungen über das Befinden von Herrn S.?
N.: man hatte es ihm angesehen, es bemerkt. Es lag eine Form von Betroffenheit, eine gewisse Anspannung vor.

RA Albers fragt:

Frage: Welche Rolle hatten Frau M. und Herr Schi.?
N.: die waren von der Firma MRI.
Frage: Und Hr. E.?
N.: er ist Schmuck-Schaden-Sachverständiger.
Frage: Und Herr Nu.?
N.: Mannheimer Versicherung, Bereich Großschaden.

Frage: War der Schaden am 19.November 2022 der erste Schadensfall?
N.: es gab beim Edelmetallshop (Edelmetall-Handel ESG, Kurfürstendamm 185) des Herrn S. schon mal einen Raubschaden.

Frage: Wurde dieser Schaden hinzugezogen?
N.: nein

RA Röder fragt:

Frage: Machte Herr S. einen seriösen Eindruck?
N.: im Nachhinein weiß man vieles besser, zu Anfang war da schon der Eindruck, dass Herr S. recht seriös erschien.

Frage: War Herr S. „windig“?
N.: eigentlich nicht.

Frage: War bekannt, dass Herr S. in eine Bar eines Nachtclubs tätig / involviert war. In ein sogenanntes „Etablissement“?
N.: dazu gab es Hinweise in den Medien.

Frage: Mit Stand heute, aus den Medien?
N.: durchaus ja, wie so zu einigem anderen auch.
Hinweis:
RA Röder begegnet dem Zeugen unterschwellig mit Mutmaßungen, woraufhin der Rechtsbeistand des Zeugen (RA Schmidt) energisch reagiert und beim Vorsitzenden um Unterlassung derartiger Provokationen fordert.

Der Vorsitzende ermahnt RA Röder, er solle nunmehr seine konkrete Fragen stellen. Es wird turbulent, als RA Röder auf den Hinweis des Zeugen „es gibt einen geständigen Beschuldigten im Sinne der Sachverhaltsaufklärung“ reagiert. RA Söder wendet provokant ein: „wir nennen so etwas Denunziant!“ Daraufhin schreitet der Vorsitzende erneut ein.

RA Tzschoppe (Verteidiger des Kronzeugen Thomas S.) fragt:

Frage: Seit wann wurde ermittelt?
N.: ab dem Schadensvorfall.

Frage: Ist eine Jahressumme für die Versicherung in Höhe von 70.000 EUR üblich?
N.: das kann die zuständige Fachabteilung genauer benennen. Es fällt nicht in meinen Aufgabenbereich.

RA Conen fragt:

Frage: Kann man den Gesprächsprotokollen des Versicherers entnehmen, wie sich die valvero (spätere Vallog GmbH) finanzierte?
N.: alle bisherigen Erkenntnisse hat die Versicherung in entsprechenden Unterlagen der Staatsanwaltschaft übergeben.

Frage: Ist dem Versicherer die Rolle der valvero Investoren bekannt geworden?
(Vorhalt: Sonderband Ermittlungen Mannheimer, Bl. 111, 141)
N.: nein, nicht namentlich. Es gibt Listen/Aufstellungen, dort ist jede Position nur mit einer Ziffer bezeichnet.

Frage: Gab es Antworten zu den valvero Investoren?
N.: die Fragen seitens der Versicherung wurden an den Insolvenzverwalter (RA Freis)
übermittelt. Diese blieben bisher unbeantwortet.

RA Becker fragt:

Frage: Haben Sie Akten zu den Ermittlungen mit?
N.: nein

Frage: Haben Sie in Ihrem Koffer dort Unterlagen, die für uns von Interesse sein könnten?
N.: nein.

Der Zeuge wurde entlassen und die Verhandlung für 10 Minuten unterbrochen.