Der EU-Führerschein und die Gültigkeit in Deutschland

(Oranienburg) Immer mehr Bundesbürger, die in Deutschland die Fahrerlaubnis verloren haben, interessieren sich für den EU-Führerschein. Dies betrifft insbesondere diejenigen, die die Fahrerlaubnis wegen eines Verkehrsdeliktes im Zusammenhang mit Alkohol verloren haben und die keine MPU machen wollen oder können. Dieser Beitrag soll klarstellen, in welchen Fällen die EU-Fahrerlaubnis in Deutschland Gültigkeit hat.

Zunächst einmal sind bestimmte Begrifflichkeiten zu klären. Es ist zu trennen zwischen Führerschein und Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnis berechtigt grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen, während man mit dem Führerschein den Nachweis über diese Berechtigung führt. Wer z. B. bei Rot über die Ampel fährt und vielleicht ein 3-monatiges Fahrverbot erhält, ist immer noch grundsätzlich zum Führen von Fahrzeugen berechtigt, jedoch nicht in der Zeit des Fahrverbotes. Bei schwereren Verstößen, etwa bei Drogenkonsum, können Behörden oder Gerichte anordnen, dass man grundsätzlich nicht mehr zum Führen eines Kraftfahrzeuges berechtigt ist. Der Führerschein muss in einem solchen Fall neu beantragt werden. Dies kann natürlich nicht sofort erfolgen, sondern wird regelmäßig erst nach Abwarten einer sog. Sperrfrist möglich sein.

In der Bundesrepublik – und hier liegt das große Problem -, ist für die Neuerteilung in solchen Fällen oftmals erforderlich, sich einer MPU („Idiotentest“) zu unterziehen. Weil dies in anderen Mitgliedsstaaten der EU nicht der Fall ist, ist es zu einem regelrechten Führerscheintourismus, z. B. nach Polen und in andere Länder gekommen. Denn hier kann der Führerschein auch ohne nachgewiesene MPU wieder erlangt werden. Hiermit haben sich die deutschen Gerichte (z. B. OLG Hamm, Beschluss vom 26.09.12, Az. III-3 RVs 46/12) und in letzter Instanz auch der EuGH befasst.

In seinem Urteil vom 26.04.2012 hat der EuGH (Az. C-419/10) erneut bestätigt, dass im Ausland neu erworbene EU-Führerscheine unbedingt anzuerkennen sind, auch wenn in Deutschland eine MPU-Auflage angeordnet wurde. Wichtig für die Anerkennung des EU-Führerscheins ist es jedoch, dass die Anforderungen, die zur Erteilung des ausländischen Führerscheins erforderlich sind, eingehalten werden.

Der Antragsteller darf nicht im Besitz eines gültigen deutschen Führerscheins sein, muss bei Erteilung des ausländischen EU-Führerscheins seinen Wohnsitz mit gültiger Meldeadresse (Wohnsitzprinzip) im den EU-Führerschein ausstellenden EU/EWR-Mitgliedsstaat gehabt haben. Die Meldesfrist von 6 Monaten (auch 185-Tage-Regelung) gilt nicht für alle Länder und ist im Einzelnen zu prüfen, da es je nach Land unterschiedliche Fristen gibt. Außerdem muss eine etwaige Führerschein-Sperrfrist einer deutschen Behörde bei Erteilung des EU-Führerscheins abgelaufen sein. Mit diesem Urteil vom 26.04.2012 macht der EuGH deutlich, dass die uneingeschränkte Mobilität innerhalb der Europäischen Union einen hohen Stellenwert und dass anderslautendes nationales Recht zurückzutreten hat.

Die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem EU-Führerschein, sind höchst komplex, betreffen das EU-Recht, sowie nationales Verwaltungs-, Straf- und auch Ordnungswidrigkeitenrecht. Sollten Sie also im Zusammenhang mit dem Erwerb eines EU-Führerscheins Fragen haben weil

  • Sie mehr dazu wissen möchten, unter welchen Voraussetzungen mit Ihrem EU-Führerschein gefahren werden darf, oder weil
  • Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen wurde und Sie einen EU-Führerschein erlangen möchten
  • Sie einen EU-Führerschein besitzen und gegen Sie ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis geführt wird
  • Sie einen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhalten haben, obwohl Sie im Besitz eines gültigen EU-Führerscheins sind (Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis) oder
  • die Verwaltungsbehörde (Polizei) Ihnen Ihren EU-Führerschein entziehen will,

dann lassen Sie sich unbedingt anwaltlich beraten. Die Beratung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erspart Ihnen viel Ärger im Nachhinein.

Autor: Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oranienburg bei Berlin
Skript EU-Führerschein Stand August 2016