(Oranienburg) Wenn ein Deutscher seinen Führerschein in Polen oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat macht, ist dieser bei Beachtung bestimmter Voraussetzungen gültig. Dies ergibt sich aus den Richtlinien 91/439/EWG und 2006/126/EG (Gegenseitige Anerkennung der Führerscheine) und hat der Europäische Gerichtshof in mittlerweile elf Entscheidungen klargestellt. Warum so viele Entscheidungen nötig waren? Ganz einfach, weil es die Deutschen Gerichte nicht wahr haben wollten und immer wieder falsch entschieden haben. Auf der höchsten europäischen Rechtsprechungs-Ebene wurden sie dann korrigiert.
Hier eine Auswahl von drei relevanten Entscheidungen mit Kernsätzen:
- EuGH Urteil vom 26.04.2012 (A.Z. C 419/10): Auch bei bestehender MPU-Auflage muss der EU-Führerschein aus Polen anerkannt werden.
- EuGH Urteil vom 19.1.09 (A.Z. C 467/10): ausländischer EU Führerschein „wenn ordentlich mit Wohnsitz erworben“ muss trotz deutscher MPU-Auflage, in Deutschland anerkannt werden
- EuGH Urteil vom 1.3.12 (A.Z. C 467/10): Führerschein aus Tschechien ist in Deutschland gültig
Es ist jedoch eine gründliche Information über die maßgeblichen Bedingungen erforderlich, um sich bei der Benutzung des EU-Führerscheins nicht der Gefahr der Strafbarkeit auszuliefern. Bei der Thematik, ob ein in Polen ausgestellter Führerschein im Deutschen Inland Gültigkeit hat, ist die Frage nach dem sogenannten Wohnsitzverstoß von zentraler Bedeutung. Die Inlandsungültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis kann sich nämlich aus § 28 IV S.1 Nr.2 FeV ergeben, wenn ein solcher berücksichtigungspflichtiger Wohnsitzverstoß vorliegt. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 30.5.13 klargestellt, dass die Meldebescheinigung einer Behörde des Ausstellermitgliedsstaats eine grundsätzlich verlässliche Information darstellt, die Rückschlüsse auf das Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes über den erforderlichen Zeitraum hinweg zulässt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass eine Meldebescheinigung den tatsächlichen Aufenthalt nicht korrekt wiedergeben muss. Sie ist jedoch als veritables Indiz zu bewerten, das nur durch einen konkreten, schlüssigen Vortrag widerlegt werden kann. Einen solchen Vortrag hatte die Behörde im vorliegenden Fall nicht geleistet. Das Bundesverwaltungsgericht konnte dabei offen lassen, ob in Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen EU-Fahrerlaubnis der Wohnsitz in dem Mitgliedsstaat bereits über einen Zeitraum von 185 Tagen hinweg bestanden haben muss oder es auch ausreicht, wenn im Zeitpunkt der Erteilung des EU-Führerscheins zu erwarten war, dass der ordentliche Wohnsitz im Ausland wenigstens über einen Zeitraum von 185 Tagen bestehen wird. Eine Festlegung in dieser Richtung war nicht nötig, weil das BVerwG sich auf den Standpunkt gestellt hat, dass eine Meldebescheinigung, die zu Beginn des Aufenthaltszeitraums im Mitgliedsstaat ausgestellt worden war, die voraussichtliche Aufenthaltsdauer wiedergibt. Als sodann ausweislich der Meldebescheinigung diese Aufenthaltsdauer nur drei Monate und somit weniger als 185 Tage betrug, war die Nichteinhaltung des Wohnsitzerfordernisses „durch sonstige Informationen“ eingeräumt.
Die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland gilt nicht für den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, der ausweislich des Führerscheins selbst oder anderer Informationsquellen zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland hatte. Dies ist in § 28 IV S.1, Nr. 2 Fahrerlaubnisverordnung geregelt. Nach dessen Wortlaut kommt es aber entscheidend auf den Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis an.
Dies ist also von demjenigen, der mit einem Führerschein aus Polen in Deutschland fahren will unbedingt zu beachten. So hat das OVG Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 10.5.13 zugunsten des Autofahrers entschieden. Folgender Sachverhalt: Die Fahrerlaubnisbehörde stellte mit dem angefochtenen Bescheid die Ungültigkeit der tschechischen EU-Fahrerlaubnis des Antragstellers fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. In dem EU-Führerschein aus Tschechien war ein Wohnsitz eben in der tschechischen Republik eingetragen. Die Behörde ging davon aus, dass im Zeitpunkt des Beginns der Fahrschulausbildung noch kein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellermitgliedsstaat bestanden habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Es geht immer um den Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis. Das OVG hat konsequenterweise dem Eilantrag stattgegeben und sogar im Leitsatz der Entscheidung formuliert, dass
dem Inhaber einer tschechischen Fahrerlaubnis deren Gebrauch in Deutschland nur dann versagt werden kann, wenn unbestreitbare Hinweise vom Ausstellerstaat vorliegen, nach denen im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins dort kein ordentlicher Wohnsitz bestand.
Ob dieser Wohnsitz schon zu Beginn der Führerscheinausbildung (in Tschechien) vorlag, ist völlig ohne Bedeutung. Der betroffene Autofahrer darf also weiterhin mit seinem tschechischen EU-Führerschein in Deutschland fahren.