Bei Ordnungswidrigkeitenverfahren im Verkehrsrecht kann es zu der Konstellation kommen, dass bei einem eindeutig nachgewiesenen Verstoß zwar keine Einstellung nach § 47 II OWiG in Betracht kommt, die Rechtsfolgen (Punkteeintrag in Flensburg, Fahrverbot) für den Betroffenen aber so erheblich sind, dass sich die Prozessbeteiligten (Verteidigung, Staatsanwaltschaft, Gericht) Gedanken über eine Einstellung des Verfahrens auf anderem Wege machen. Im Strafrecht gibt es hierfür den § 153a StPO: dieser sieht eine Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflage, meist Zahlung einer bestimmten Geldsumme, vor. Dies geht im Bußgeldverfahren nicht: § 47 III OWiG regelt eindeutig:
„Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages … abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang gebracht werden“.
Der Sinn ist klar: niemand soll sich bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit „freikaufen“ können. (Kurzer Exkurs: etwas ganz anderes ist die „Kompensierung“ des Fahrverbotes gegen Erhöhung der Geldbuße, denn hier geht es nicht um eine Einstellung des Verfahrens, es werden z.B. auch die Punkte voll eingetragen).
Zurück zu der Frage, ob auch ohne Zahlung einer Geldbuße die Verfahrenseinstellung erfolgen kann, nämlich durch Verhängung von Sozialstunden. § 47 III OWiG verbietet diese Vorgehensweise nicht. Dies wird in der Literatur teilweise für möglich erachtet. Denn zum einen ist bei der Ahndung einer Tat stets entscheidend, ob die Durchführung eines Verfahrens und die Ahndung der Tat notwendig und angemessen ist. Dies wird Opportunitätsgrundsatz oder Opportunitätsprinzip genant und ist in § 47 I S.2 OWiG ausdrücklich als verfahrensleitende Überlegung von dem Gesetzgeber niedergelegt worden. Im Verkehrsrecht wird es daher im Einzelfall darauf ankommen, ob die Verurteilung notwendig erscheint, um die Verkehrsdisziplin bei dem jeweils Betroffenen zu erhöhen (vgl. hierzu z.B. den Beitrag von Deutscher, NZV 1999, S. 185). Und dies kann bisweilen durchaus zu bejahen sein. Wenn z.B. ein berufstätiger Kraftfahrer dazu herangezogen wird, in seiner Freizeit gemeinnützige Arbeit zu leisten und dies auch einen Zusammenhang zu seinem Verkehrsverstoß hat, kann hier ein erheblicher erzieherischer Effekt eintreten. Warum soll der Betroffene, wenn er wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zu verurteilen wäre, nicht zur Pflege eines Verkehrsopfers verpflichtet werden? Ihm würden die möglichen Folgen seines Verkehrsverstoßes auf diese Weise doch viel besser und direkter vor Augen geführt werden, als bei einer „sterilen“ Verurteilung. Ich stelle die Behauptung auf, dass durch diese Art der Verfahrensbeendigung ein sehr viel höherer Beitrag zur Verkehrssicherheit erbracht würde, als wenn mit Strafe und Verurteilung gearbeitet wird. Hinzu kommt, dass der Mandant nach meiner Erfahrung sehr viel einsichtiger reagiert, wenn er den Eindruck hat, das Gericht hat sich tatsächlich mit seiner Situation auseinander gesetzt. Diese Erfahrung, nämlich in einem Gerichtsverfahren „gehört“ zu werden, sorg für viel mehr Einsichtsfähigkeit als bloße Strafe.