Fahrverbot und Augenblicksversagen

Das Thema Fahrverbot und Augenblicksversagen spielt eine große Rolle vor Deutschlands Verkehrsgerichten. In verkehrsrechtlichen Verfahren spielt häufig der Kampf um die Verhängung eines Fahrverbotes eine große Rolle. Schließlich sind viele Bürger auf ihren Führerschein angewiesen, und die Verhängung eines Fahrverbotes würde zu erheblichen Einschränkungen, oftmals auch zur Existenzgefährdung führen. So ist es nicht verwunderlich, dass im Rahmen einer Verteidigung bei der Frage „Fahrverbot oder nicht“ häufig der Schwerpunkt liegt.

Alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbots ist § 24 Abs. 1 StVG, der als Voraussetzung eine grobe oder beharrliche Pflichtverletzung aufführt. Häufig wird sodann mit der Begründung, dass lediglich ein sogenanntes Augenblicksversagen vorliegt, eine solche grobe Pflichtverletzung bestritten. Dies oftmals mit Erfolg.

Bei den Tatbeständen, für die die Bußgeldkatalogverordnung die Anordnung eines Fahrverbots vorsieht, wird zwar im Grundfall von einem groben Verstoß ausgegangen. Von einem Ausnahmefall, der die Annahme grob verkehrswidrigen Verhaltens entfallen lässt, kann aber zum Beispiel im Falle eines Augenblicksversagens ausgegangen werden. Begrifflich wird mit Augenblicksversagen zunächst nur ein Versagen des Betroffenen umschrieben, dass dadurch gekennzeichnet ist, dass der Handelnde für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum, nämlich nur für einen „Moment/Augenblick“ lang, die im Verkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Allein hieraus lässt sich allerdings nicht schon ein ausreichender Anlass ableiten, den Schuldvorwurf herabzustufen, sofern alle sonstigen Merkmale einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 24 Abs. 1 StVG gegeben sind (BGH NJW 1992,2418; OLG Bamberg, Urteil vom 2. 20.12.2015, Aktenzeichen 3 Ss Owi 1326/15).

Aufgabe der Verteidigung ist es daher, darauf hinzuwirken, dass weder die Verwaltungsbehörde, noch der Tatrichter ein entsprechend grob verantwortungsloses Verhalten feststellen können. Von einem Augenblicksversagen, welches die grobe Pflichtverletzung entfallen lassen kann, kann beispielsweise dann ausgegangen werden, wenn ein Ortsfremder ein Ortseingangsschild und mithin die entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzung übersieht, sich aber aufgrund der vorhandenen Bebauung noch außerhalb einer geschlossenen Ortschaft wähnt (OLG Dresden DAR 2006,30) und wähnen darf. Auch das übersehen eines Geschwindigkeitsbegrenzungsschildes außerhalb geschlossener Ortschaften kann unter Umständen dann als Augenblicksversagen gewertet werden, wenn aufgrund der Gesamtverkehrssituation sich die Anordnung einer entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zwingend aufdrängt (OLG Düsseldorf DAR 2015,213). Insgesamt ist es so, dass wenn ein Geschwindigkeitsverstoß auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen ist, dass weder auf grober Nachlässigkeit noch auf Gleichgültigkeit beruht, die Verhängung eines Regelfahrverbots nicht gerechtfertigt ist (vgl. OLG Dresden, a.a.O.).

Bei Rotlichtverstößen ist ebenfalls eine Berufung auf ein Augenblicksversagen möglich. Dies zum Beispiel, wenn der Betroffene geltend macht, durch eine Adressensuche abgelenkt gewesen zu sein (OLG Hamm NZV 2005,489). Bei Rotlichtverstößen kommt auch die Berufung darauf in Betracht, dass der Betroffene ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Nun einige Hinweise für die Durchführung der Verteidigung. Der Betroffene sollte sich auf die Tatsachen und Umstände, die ein Augenblicksversagen rechtfertigen können, ausdrücklich berufen. Denn der Bußgeldrichter ist nicht von Amts wegen gehalten, sich mit einer solchen Möglichkeit zu beschäftigen. Beruft sich der Betroffene in einem Bußgeldverfahren auf das Augenblicksversagen, macht es dies für den Tatrichter erforderlich, sich mit dem entsprechenden Vorbringen auch qualifiziert im Urteil auseinanderzusetzen. Tut er dies nicht, wird sein Urteil im Wege der Rechtsbeschwerde aufzuheben sein.

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