Fahrverhalten rund um ein Bierfest

Oft wundert man sich, was für Verhaltensmaßregeln einem Kraftfahrer heute so alles zugemutet werden. So gibt es tatsächlich Rechtsprechung zum angepassten Fahrverhalten (wohlgemerkt: des nüchternen Fahrers) rund um größere Volksfeste. Und welches fällt einem da als erstes ein? Na klar, das Oktoberfest in München. Lesen Sie folgendes Urteil. Ein Verkehrsteilnehmer muss zur Oktoberfestzeit seine Geschwindigkeit auf den Straßen rund um das Fest den Gegebenheiten anpassen. Kommt es zu einem Unfall trägt er sonst ein 50-prozentiges Mitverschulden (!) am Unfall. Begründung: Während des Oktoberfestes ist stets eine Menge Betrunkener unterwegs, bei denen nicht immer erwartet werden kann, dass sie sich an die Verkehrsregeln halten. Dies entschied tatsächlich das Amtsgericht (AG) München zum Aktenzeichen: 331 C 22085/07.

Folgender Sachverhalt: Eine Kradfahrerin fuhr während der Wiesn 2006 um Mitternacht mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h, als ein angetrunkener Oktoberfestbesucher bei glatt Rot direkt vor ihr Motorrad lief. Sie stürzte, wodurch sie mehrere Verletzungen erlitt. Auch das Motorrad wurde beschädigt. Insgesamt betrug der Sachschaden rund 2.500 Euro. Den wollte sie vom Schadensverursacher ersetzt bekommen, genauso wie 1.000 Euro Schmerzensgeld. Der Wiesn-Besucher weigerte sich jedoch zu zahlen. Ein Freund habe ihm etwas zugerufen, er habe sich umgedreht, dabei müsse die Ampel wohl von grün auf rot gesprungen sein. Der zuständige Richter beim AG München sprach der Motorradfahrerin nur die Hälfte des Sachschadens zu. Immerhin erkannte er an: Der Fußgänger sei zur Hälfte schuld, weil er die Straße nicht zügig überquert habe. Er habe angehalten und sich zu seinem Bekannten umgewandt und so ein Hindernis auf der Strasse gebildet. Aber auch die Motorradfahrerin trage eine Mitschuld am Unfall. Zur Oktoberfestzeit seien nämlich zur Nachtzeit „amtsbekannt“ größere Mengen Betrunkener unterwegs, bei denen nicht immer erwartet werden könne, dass sie die Verkehrsregeln einhalten. Die Motorradfahrerin hätte daher ihre Geschwindigkeit anpassen müssen. Sprich weit langsamer als mit den eigentlich an dieser Stelle erlaubten 50 km/h fahren müssen. Unter Berücksichtigung dieses Mitverschuldens habe sie auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld.