Gehbehinderung nach Frontalzusammenstoß: € 110.000,- Schmerzensgeld

Die deutschen Geriche sind im internationalen Vergleich eher zurückhaltend mit der Ausurteilung hoher Schmerzensgeldbeträge. Gelegentlich gibt es aber doch Entscheidungen in erheblicher Höhe. Nun hat ein Gericht in Bayern aufgrund einer Gehbehinderung nach Frontalzusammenstoß den Betrag von 110.000 € an Schmerzensgeld ausgeurteilt.

Im März 2004 ereignete sich in Bayern ein Frontalzusammenstoß zwischen einem bei der (späteren) Beklagten haftpflichtversicherten PKW und dem von der späteren Klägerin gesteuerten PKW. Der PKW der Beklagten war auf die Fahrspur der Klägerin geraten, die Haftung für die Unfallschäden war daher dem Grunde nach unstreitig.

Dies – die Unstreitigkeit der Unfallverurschachung – heißt aber meist nicht, dass anstandslos gezahlt wird. Eine freiwillige, vollständige Zahlung durch Versicherer ist ab einer bestimmten Größenordnung – leider – die Ausnahme geworden. Häufig muss der zur Zahlung verpflichtete Haftpflichtversicherer durch gerichtliche Klage zur Zahlung gezwungen werden. So wie hier: Die Klägerin wurde durch den Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Folge des Unfalles war, dass sie dauerhaft an einer mittelschweren Gehbehinderung leidet und fortan einen Gehstock benutzen muss. Weiterhin leidet sie unter deutlicher Behinderung auch im Arm-und Schulterbereich. Daraus resultieren auch erhebliche seelische Belastungen. Eine Erwerbsminderung von 70 % war eingetreten.

Das OLG München hat in seinem Urteil vom 24 Juli 2015 (Aktenzeichen 10 U 3313/13) entschieden, dass in einem solchen Fall ein Schmerzensgeld von 110.000 € durchaus angemessen ist.

Der interessanteste Aspekt der Entscheidung ist jedoch, dass das zögerliche Verhalten der Kfz-Haftpflichtversicherung hier – erneut – zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes geführt hat. Es sei angesichts der eindeutigen Haftungslage und der Verzögerung der Auszahlung des erstinstanzlich ausgeurteilten Schmerzensgeldes über zwei Jahre das Verhalten der Kfz-Haftpflichtversicherung unverständlich. Die verzögerte Auszahlung sei verwerflich, obwohl wegen eines Formfehlers (nur) durch die Klägerseite das Berufungsverfahren geführt wurde. Die Haftung der Versicherung sei in der genannten Größenordnung bereits geklärt gewesen. Da das Schmerzensgeld ohne Begründung nicht geleistet wurde, sei eine Erhöhung unter dem Gesichtspunkt zögerlichen und kleinlichen Regulierungsverhaltens geboten. Dieses zögerliche und kleinliche Verhalten des Versicherers hat der Senat zum Anlass genommen, das Schmerzensgeld um immerhin 2.000 € zu erhöhen.