Wenn in einem Bußgeldbescheid ein Fahrverbot angeordnet wird heißt das nicht zwangsläufig, dass der Führerschein auch wirklich abgegeben werden muss. Oft kann im Wege des Einspruches durch den Rechtsanwalt das Fahrverbot vermieden werden. Dies gilt grundsätzlich auch bei Bußgeldsachen wegen Alkohol am Steuer (§ 24a StVG). Es schließt sich nach Einlegung des Einspruches nämlich oftmals ein langes Verwaltungs- und Gerichtsverfahren an. Das OLG Karlsruhe hat sich nun in einem Beschluss vom 22.6.2007 (A.Z. 1 Ss 44/07) mit der Frage auseinander gesetzt, ob bei einer langen Zeitspanne zwischen Tat und Urteil die „Denkzettelfunktion“ des Fahrverbotes überhaupt noch besteht, oder ob dieses dann wegfallen kann. Die Frage ist zugunsten des betroffenen Autofahrers entschieden worden. Dieser durfte seinen Führerschein behalten.
Die Kernaussage der Entscheidung: Von der Anordnung eines Fahrverbots kann abgesehen werden, wenn zwischen der Tat und ihrer gerichtlichen Ahndung eine lange Zeitspanne liegen, der Betroffene verkehrsrechtlich nicht mehr auffällig wurde und die lange Verfahrensdauer auch auf Gründen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen lagen. Der Betroffene war dabei zunächst vom Amtsgericht wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter Alkohol (über 0,5 Promille) zu einer Geldbuße von € 250,- sowie – hierum ging es dem Beschwerdeführer besonders – zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Autofahrers hatte Erfolg. Nach der Rüge des OLG hatte sich der Tatrichter der Ausgangsinstanz nicht in gebotener Weise mit der Frage befasst, ob in dem vorliegenden Fall von der Regelfolge (nämlich dem Fahrverbot) abgewichen werden könne, weil unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Verhängung eines Fahrverbotes nicht mehr geboten ist. Das Fahrverbot hat nämlich eine Erziehungsfunktion und ist als „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“ gedacht und im Gesetz ausgeformt. Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen. Das Fahrverbot kann aus diesem Gesichtspunkt heraus dann seinen Sinn verlieren, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liegt und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt werden konnte. Hierbei ist die Frage, wie lange Zeit verstrichen sein muss – in diesem Fall waren es 23 Monate – im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu entscheiden. Vorliegend lag die lange Verfahrensdauer auch nicht im Einflussbereich des Betroffenen, da zwischen dem zunächst ergangenen Zurückverweisungsbeschluss des OLG vom 5.5.2006, durch das das Urteil zunächst aufgehoben worden war, die neue Hauptverhandlung erst am 17.1.2007, mithin acht Monate später, durchgeführt werden.
Der Verfasser dieses Artikels ist Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).
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