Verfahrenseinstellung nach Anforderung der gesamten Messerie – Verjährung!

Das Amtsgericht Oranienburg hat in einem aktuellen Verfahren (A.Z.: 13 d OWi 383 Js-OWi 30804/11 (998/11)) am 17.6.2013 einen Einstellungsbeschluss erlassen, nachdem die Verteidigung die gesamte Messerie der Geschwindigkeitsmessung angefordert hatte und die Übersendung durch die Bußgeldstelle nicht rechtzeitig erfolgte. Es trat Verfolgungsverjährung (§ 33 III S.2 OWiG) ein.

Der Betroffene war am 1.6.2011 mit angeblich gefahrenen 108 km/h statt der erlaubten 80 km/h am Dreieck Havelland geblitzt worden. Das Dreieck Havelland liegt im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts Oranienburg. Als Messgerät wurde das Gerät Poliscan Speed des Herstellers Vitronic verwendet.

Die Verteidigung hatte diverse Beweisanträge gestellt, die sich gegen die Verwertbarkeit der Messung wendeten. Im Wesentlichen ging es zum einen um die Frage, ob Messergebnisse, die mit dem Gerät Poliscan Speed ermittelt werden, überhaupt zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden können. Denn ähnlich wie bei dem Gerät ESO 3.0 wird die Messwertermittlung auch bei Poliscan nicht offen gelegt. Der Hersteller beruft sich hier auf sein Betriebsgeheimnis. Das Ergebnis ist, dass auch ein Gutachter den Messwert nur auf Plausibilität, nicht aber die Messwertbildung selber überprüfen kann. Deshalb hat u.a. das Amtsgericht Aachen kürzlich einen betroffenen Fahrer wegen grundsätzlicher Unverwertbarkeit der Messung freigesprochen. Doch zurück zum Fall des Amtsgerichts Oranienburg. Zum anderen waren hier Gegenstand der Beweisanträge konkrete Bedienungsfehler, die zu einer Unverwertbarkeit der Messung hätten führen können.

Im ersten Verhandlungstermin wurden die Beweisanträge wiederholt, es kam zur Beauftragung eines Gutachters. Diesem war jedoch von der Bußgeldstelle des Landes Brandenburg nicht die gesamte Messserie zur Verfügung gestellt worden, also nicht sämtliche am konkreten Messtag erzeugten Falldatensätze aller gemessenen Fahrzeuge.

Das Amtsgericht Oranienburg wies die Bußgeldstelle mit Beschluss vom 28.8.2012 an, die Übersendung dieser Datensätze nachzuholen. Konkret formulierte das Gericht in seinem Beschluss:

„Die Zentrale Bußgeldstelle Brandenburg wird angewiesen, dem Sachverständigen sämtliche am konkreten Messtag erzeugten Falldatensätze aller gemessenen Fahrzeuge (Geschwindigkeitsüberschreitungen) im Tuff-Dateiformat als Original oder Kopie zur Verfügung zu stellen. Im Zweifelsfall obliegt es dem Sachverständigen, Art und Umfang der von ihm benötigten Daten zu bestimmen.“

Der Sachverständige erstellte daraufhin sein Gutachten. So kam es zur Terminierung des zweiten Verhandlungstermins erst am 17.6.2013. Und zu diesem Zeitpunkt war die absolute Verjährungsfrist des § 33 III S.2 OWiG bereits verstrichen. Das Gericht verfügte folgerichtig die Verfahrenseinstellung gem. § 206a StPO i.V.m. § 46 I OWiG.

Hier ein paar allgemeine Hinweise zur Verjährung bei Bußgeldsachen: Gem. § 26 III StVG verjähren diese in drei Monaten, solange noch kein Bußgeldbescheid in der Welt ist, danach beträgt die Frist sechs Monate. Nun wird diese Frist durch so ziemlich jede Handlung des Gerichts gem. § 33 I OWiG unterbrochen, so z.B. im vorliegenden Fall auch durch den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 28.8.2012. Spätestens nach zwei Jahren ist bei Ordnungswidrigkeiten jedoch Schluss: gem. § 33 III S.2 OWiG tritt dann absolute Verjährung ein. In dem vom Amtsgericht Oranienburg entschiedenen Fall führte dies sogar dazu, dass die Landeskasse die Kosten des Verfahrens einschließlich Anwalts- und Sachverständigenkosten tragen musste (sog. notwendige Auslagen des Betroffenen).