Ein Vorfahrtsberechtigter blinkt irreführend nach rechts und biegt dann doch niciht ab. Es stellt sich die Frage der Haftungsabwägung.
Es ist einer der „Klassiker“ im Verkehrsunfallrecht. Ein wartepflichtiger Autofahrer sieht einen Vorfahrtsberechtigten herannahen, der aber nach rechts blinkt und aus Sicht des Wartepflichtigen daher vor ihm rechts abbiegen will. So dass der Wartepflichtige glaubt, auf die Vorfahrtsstraße einbiegen zu können. Das Blinken stellt sich sodann als irreführend da, es kommt zur Kollision. Regelmäßig stellt sich die Frage der Haftungsteilung.
Das Landgericht Saarbrücken hat sich in seinem Urteil vom 3.7.2015 erneut mit einem solchen Fall zu befassen gehabt. (Aktenzeichen: 13 S 64/15). Die Anspruchsgegnerin befand sich auf der untergeordneten Straße und kollidierte mit dem auf der bevorrechtigten Straße fahrenden Fahrzeug des Klägers. Dieses hatte nach rechts geblinkt, war jedoch nicht abgebogen, sondern auf der bevorrechtigten Straße weitergefahren. Das Amtsgericht hatte unter Ansetzung einer Mithaftungsquote des Klägers von 30 % die Beklagte zur Ausgleichung der von dem Kläger geltend gemachten materiellen Unfallschäden verurteilt.
Dies wurde weitestgehend von dem Landgericht so gehalten. Festgestellt wurde, dass der Wartepflichtige trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen darf, wenn sich dieses in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber – zweifelsfrei und deutlich darstellt (hierzu schon OLG Hamm NJW – RR 2003,975; OLG Karlsruhe DAR 2001,128).
Ein Vertrauen des Wartepflichtigen darauf, dass der Vorfahrtsberechtigte tatsächlich abbiegen wird und dadurch eine Kollision ausgeschlossen ist, ist danach erst begründet, wenn die Abbiegeabsicht zweifelsfrei besteht. Und diese Absicht sich auch äußert. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte hier nicht auf ein Abbiegen des klägerischen Fahrzeuges vertrauen durfte. Denn die Fahrerin des bevorrechtigten Fahrzeuges hatte weder ihre Geschwindigkeit verringert, noch zum Abbiegen angesetzt.
Zusammenfassend: das Setzen des rechten Fahrtrichtungsanzeigers (Blinkers) durch den Vorfahrtsberechtigten vor einer Kreuzung oder Einmündung, um dann gleichwohl geradeaus zu fahren, genügt eben nicht, in dem Wartepflichtigen das Vertrauen hervorzurufen, der Vorfahrtsberechtigte werde vor der Kreuzung oder Einmündung nach rechts abbiegen, sodass sich die Falllinien beider Fahrzeuge nicht mehr kreuzen werden. Der Wartepflichtige kann bei einem Blinken des an sich Vorfahrtsberechtigten allein noch nicht darauf vertrauen, dass der andere Verkehrsteilnehmer entsprechend seinem Blinken abbiegen wird. Und entsprechend dem Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr keine Gefahrenlage durch regelwidriges Verhalten verursacht (so auch schon BGH NJW 1965,1177).
Anzeichen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob der Vorfahrtsberechtigte die angezeigte Fahrtrichtungsänderung tatsächlich einschlagen wird, können eine fehlende Einordnung des Fahrzeugs des Vorfahrtsberechtigten, das Ausbleiben der für die Richtungsänderung erforderlichen Herabsetzung der Geschwindigkeit sein. Oder auch kurz vor oder hinter der untergeordneten Straße befindliche andere Straßeneinmündungen oder Grundstückseinfahrten können dies sein, auf deren Einfahren sich das Blinken beziehen kann.
Die Situationen wurden allerdings auch schon anders beantwortet. Die Haftungsverteilung bei unfallursächlichem, fehlerhaftem Blinken kann sich anders darstellen. So gehen die Gerichte zum Teil bei einer Kollision mit dem wartepflichtigen Unfallgegner von einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten von wenigstens 50 % aus, zu seinen Lasten gesteigert bei einer Verlangsamung der Geschwindigkeit des vorfahrtsberechtigten Fahrers, sogar bis zu 100 % Haftung sind je nach Sachlage möglich (vgl. KG DAR 1990,142; OLG Dresden VersR 1995,234).