Blitzer-Fälle: Viele Urteile sind falsch

Massendelikt Geschwindigkeitsüberschreitung: Das BayObLG verlangt klare Urteilsgründe bei standardisierten Messverfahren. Ansonsten dürfen die Amtsgerichte nicht verurteilen.

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat mit Beschluss vom 12. Juni 2025 (Az. 202 ObOWi 372/25) betont, dass Urteile in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen nur dann tragfähig sind, wenn das Gericht wesentliche Feststellungen zum Messverfahren und zum Toleranzabzug ausdrücklich im Urteil dokumentiert.

Geschwindigkeitsverstöße werden in der Praxis fast immer mit sogenannten standardisierten Messverfahren festgestellt. Diese gelten als besonders zuverlässig, sodass Gerichte grundsätzlich nicht jeden einzelnen Messvorgang im Detail überprüfen müssen. Dennoch verlangt die Rechtsprechung, dass im Urteil nachvollziehbar festgehalten wird, welches Messgerät eingesetzt und welche Toleranz berücksichtigt wurde. Nur so lässt sich für den Betroffenen und auch im Rechtsmittelverfahren kontrollieren, ob die Verurteilung rechtmäßig ist.

Entscheidung des BayObLG

Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht eine Betroffene wegen einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, ohne im Urteil konkret anzugeben:
• welches Messverfahren angewendet wurde,
• welcher Toleranzwert abgezogen wurde,
• und ob es sich tatsächlich um ein standardisiertes Verfahren handelte.

Das BayObLG hob hervor, dass ein Urteil ohne diese Angaben lückenhaft ist. Denn der Rechtsmittelrichter könne nicht überprüfen, ob die Messung unter korrekten Voraussetzungen erfolgt sei. Auch für den Betroffenen selbst bleibe unklar, ob die Verurteilung auf einer rechtlich tragfähigen Grundlage beruht.

Die Entscheidung macht deutlich: Auch wenn standardisierte Messverfahren die Beweisaufnahme vereinfachen, entbinden sie das Tatgericht nicht von der Pflicht, die wesentlichen Grundlagen im Urteil festzuhalten.
• Der Toleranzabzug – also der Sicherheitsabschlag zugunsten des Betroffenen – muss ausdrücklich benannt werden.
• Fehlen diese Angaben, kann das Urteil mit Erfolg angefochten werden.

Das BayObLG unterstreicht mit diesem Beschluss die Bedeutung einer sauberen und nachvollziehbaren Urteilsbegründung im Ordnungswidrigkeitenrecht. Für Betroffene bedeutet das: Ein Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist anfechtbar, wenn es keine ausreichenden Feststellungen zum Messverfahren und zum Toleranzabzug enthält.

(BayObLG, Beschluss vom 12.06.2025 – 202 ObOWi 372/25)

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