Ein Fahrverbot für Fahrräder und E-Scooter ist möglich. Auch Mofas gehören dazu. Es geht um sogenannte „Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge“. Lesen Sie hier.
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Urteil vom 23. Mai 2025 (Az. 1 A 176/23) Neuland betreten: Es erklärte erstmals die behördliche Untersagung des Führens auch erlaubnisfreier Fahrzeuge – wie Fahrräder, Mofas oder E-Scooter – für rechtmäßig. Damit setzt sich das OVG deutlich von der bisherigen Rechtsprechung anderer Obergerichte ab.
Hintergrund des Falls:
Ein Mann, dem bereits wegen wiederholter Trunkenheitsfahrten die Fahrerlaubnis entzogen worden war, wich auf ein Mofa aus – ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug. Im Sommer 2019 verursachte er unter erheblichem Alkoholeinfluss (1,83 ‰ BAK) erneut einen Unfall. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte ihn auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorzulegen. Da er dieser Anordnung nicht nachkam, untersagte die Behörde ihm schließlich per Verwaltungsakt auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen.
Argumente der Behörde und rechtliche Grundlage.
Die Entscheidung stützte sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet ist, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, wenn jemand als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen gilt. Bisher wurde diese Norm mehrheitlich nur auf erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge angewendet.
Das OVG Saarlouis verfolgte jedoch einen anderen Ansatz: Die Norm sei weit genug formuliert, um auch das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge zu erfassen. Maßgeblich sei nicht der formale Erlaubnisstatus des Fahrzeugs, sondern die charakterliche Eignung des Fahrers und das daraus resultierende Gefährdungspotenzial für die Allgemeinheit.
MPU-Verweigerung als Eignungsindiz:
Gestützt wurde die Entscheidung zudem auf § 11 Abs. 8 FeV. Lehnt ein Betroffener es ab, ein angefordertes MPU-Gutachten vorzulegen, darf die Behörde auf dessen Nichteignung schließen – auch im Hinblick auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern. Alkoholisiertes Verhalten auf diesen Fahrzeugen könne ebenfalls eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr darstellen, insbesondere durch unvorhersehbare Reaktionen und Fahrmanöver.
Abweichung von der bisherigen OVG-Rechtsprechung
Mit seiner Entscheidung stellt sich das OVG Saarlouis bewusst gegen die Linie anderer Obergerichte, etwa des OVG Nordrhein-Westfalen oder des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Diese hatten § 3 FeV bislang nicht als taugliche Rechtsgrundlage für Verbote bezogen auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge angesehen. Sie argumentierten mit einem geringeren Gefährdungspotenzial und einer unklaren gesetzlichen Ausgestaltung.
Bedeutung der Entscheidung und Ausblick:
Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig – eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist möglich –, sie stellt jedoch einen potenziellen Wendepunkt im Fahrerlaubnisrecht dar. Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, könnten auch Personen ohne Führerschein künftig durch Verwaltungsakt vom Führen jeglicher Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden – unabhängig davon, ob das jeweilige Fahrzeug einer Fahrerlaubnis bedarf.
Fazit:
Das Urteil aus Saarlouis hat erhebliche Konsequenzen: Es erweitert den Anwendungsbereich der FeV auf bislang ausgenommene Fahrzeuge und stärkt die behördliche Eingriffsbefugnis bei charakterlicher Ungeeignetheit. Rechtsanwälte und betroffene Verkehrsteilnehmer sollten künftig beachten, dass auch Fahrräder und E-Scooter nicht mehr per se als „sichere Ausweichoptionen“ bei Fahrerlaubnisentzug gelten.