Langjährige Fahrpraxis? Kein Freifahrtschein für die B 196 – Klasse

Auch langjährige Fahrpraxis bedeutet keinen Freifahrtschein für die Schlüsselzahl 196 (125ccm-Klasse). Diese Klasse wird auch Leichtmotorrad-Klasse genannt. Gebräuchlicher ist der Begriff B196-Klasse.

Wer Leichtkrafträder (Klasse A1) mit seinem Pkw-Führerschein fahren will, braucht für die Schlüsselzahl „B 196“ nicht nur eine Schulung, sondern auch 5 Jahre ununterbrochenen Besitz der Klasse B. Das hat das Verwaltungsgericht Köln (Az: 6 K 5450/21, Urteil v. 25.04.23) bestätigt. Das Urteil bringt Klarheit in eine Frage, die viele Autofahrer beschäftigt: Wann darf die Schlüsselzahl 196 in den Führerschein eingetragen werden, um Leichtkrafträder mit dem Pkw-Führerschein zu fahren?

Die Entscheidung zeigt deutlich: Auch jahrzehntelange Fahrpraxis reicht nicht aus, wenn eine zentrale Voraussetzung fehlt – nämlich der ununterbrochene Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung.

Was war passiert?

Die Klägerin wollte ihren Führerschein um die Schlüsselzahl 196 erweitern, die es erlaubt, Leichtkrafträder der Klasse A1 (das ist die 125ccm-Klasse) mit einem Pkw-Führerschein zu führen – ohne zusätzliche Prüfung. Sie hatte ihre Fahrerlaubnis ursprünglich über 30 Jahre lang besessen, verlor sie jedoch wegen Trunkenheit im Verkehr. Die Neuerteilung erfolgte im Dezember 2019.

Im Jahr 2021 stellte sie den Antrag auf Eintragung der Schlüsselzahl 196 – gestützt auf ihre langjährige Fahrpraxis und den erfolgreich absolvierten Schulungsnachweis nach Anlage 7b FeV. Die Behörde lehnte ab. Begründung: Die fünf Jahre Fahrerlaubnisbesitz mussten ununterbrochen vorliegen – was wegen der zwischenzeitlichen Entziehung nicht der Fall war.

Die rechtliche Frage:

Zählt allein die Summe der Jahre oder ist der durchgehende Besitz entscheidend?

Das VG Köln stellte klar: Der Wortlaut des § 6b Abs. 1 FeV („seit mindestens fünf Jahren“) verlangt einen ununterbrochenen Besitz der Klasse B bis zum Zeitpunkt der Antragstellung. Unterbrechungen – selbst bei langjähriger Fahrerfahrung – führen dazu, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine „aufsummierte“ Besitzzeit reicht nicht. Die Berufung der Klägerin wurde vom OVG Nordrhein-Westfalen (Az: 16 A 1276/22 v. 26.11.2024) zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Warum diese Entscheidung?

Der Gesetzgeber will mit der Regelung sicherstellen, dass Antragsteller eine aktuelle und kontinuierliche Fahrpraxis mitbringen – als Grundlage für die sichere Führung eines zusätzlichen Fahrzeugtyps (Leichtkraftrad). Eine frühere, lange zurückliegende Fahrerlaubnis begründet dieses Vertrauen nicht in gleichem Maße, insbesondere nicht, wenn sie wegen gravierender Verstöße entzogen wurde.

Auch verfassungsrechtliche Bedenken – etwa wegen Gleichbehandlung mit § 20 FeV (Neuerteilung der ursprünglichen Fahrerlaubnis ohne erneute Prüfung) – ließ das Gericht nicht gelten: Der Erwerb der Schlüsselzahl B196 stellt eine Erweiterung der Fahrerlaubnis dar, nicht bloß die Rückgabe einer vorherigen Berechtigung.

Fazit für die Praxis

Wer sich die Schlüsselzahl B 196 eintragen lassen möchte, muss:
• mindestens 25 Jahre alt sein,
• seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse B sein,
• eine Schulung nach Anlage 7b FeV erfolgreich absolvieren.

Wichtig: Selbst jahrzehntelange Fahrerfahrung schützt nicht vor den strengen formellen Voraussetzungen. Wer seine Fahrerlaubnis in den letzten fünf Jahren zeitweise verloren hatte – etwa durch Entzug oder Verzicht – muss warten, bis die Frist erneut erfüllt ist.

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