Unfall durch rollenden Einkaufswagen

Nicht nur durch Kraftfahrzeuge können Unfälle verursacht werden. Auch Einkaufswagen, die auf Parkplätzen von Supermärkten wegrollen, sind mögliche Gefahrenverursacher.

Das OLG Hamm hatte sich in seinem Urteil vom 18.8.15 (A.Z.: 9 U 169/14) mit einem solchen Fall zu befassen, wobei der Einkaufswagen hier sogar durch starken Wind auf die Fahrbahn einer Straße gerollt war und mit dem Pkw des späteren Anspruchsstellers kollidiert war. Es stellte sich die Frage, ob und inwieweit eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Betreiber des Supermarktes erfolgte – und damit, ob er Schadensersatz schuldet.

Die Rechtsprechung zu diesem Thema gibt deutliche Maßstäbe vor. So ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass nicht jeder denkbaren Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Denn eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Der Verkehrssicherungspflicht ist viel mehr genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.

Es genügt daher, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vergleiche auch Urteil OLG Hamm vom 6.5.2014, Aktenzeichen 9U13/14)

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte Vorsorge dafür treffen musste, dass die Einkaufswagen nach Geschäftsschluss sicher abgestellt waren. Dies gilt zum einen im Hinblick auf Schutzmaßnahmen gegen die unbefugte Benutzung durch Dritte, zum anderen aber auch mit Blick auf die Verhinderung eines Wegrollen dieser Einkaufswagen im Sinne einer Verselbstständigung durch das Wetter, nämlich durch den Sturm. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Gehsteig vor dem Ladengeschäft, an denen der Abstellplatz für die Einkaufswagen angrenzt, zur Fahrbahn hin ein Gefälle auf gewiesen hat.

Die von dem Beklagten ergriffenen Sicherungsmaßnahmen genügen diesen Anforderungen daher im Ergebnis nicht. Die auf dem Abstellplatz in drei nebeneinander gelegenen rein befindlichen Einkaufswagen wurde nach Ladenschluss im vorliegenden Fall von einer Mitarbeiterin des Supermarktes mittels einer durch die einkaufswagengeführten Kette gesichert, die um einen am Kopfende des Abstellplatzes vorhandenen Metallpfosten geschlungen wurde. Entscheidend: eine Sicherung der Kette durch ein Vorhängeschloss fand nicht statt, weil ein solches bereits seit längerer Zeit nicht mehr zur Verfügung stand. Diese Art der Sicherung war aus Sicht des Oberlandesgerichtes Hamm unzureichend, wie der Zustand, den die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten vor Ort angetroffen haben, dokumentiert. Ein Zeuge hatte nämlich ausgesagt, die Kette habe auf dem Boden vor dem jeweils letzten Einkaufswagen in jeder Reihe gelegen. Hierdurch war zwar weiterhin sichergestellt, dass ein Einkaufswagen aus dem Abstellplatz nicht auf den Gehsteig und die Fahrbahn rollen konnte. Nämlich weil die Kette einen solchen Durchmesser hatte, dass ein Einkaufswagen ohne Zutun nicht darüber hinweg rollen konnte. Die unbefugte Entnahme eines nicht mit einem Pfandmarkensystem ausgerüsteten Einkaufswagens durch einen Dritten war aber leicht möglich, da es nur eines leichten anheben zur Überwindung der genannten am Boden liegenden Kette bedurfte. Diese war lediglich einen oder 2 cm hoch. Dieser Umstand begründet das Vorliegen einer eine Verkehrssicherungspflicht auslösenden abhilfebedürftigen Gefahrenstelle. Denn nach den Erfahrungen des Senats ist es nicht nur vereinzelt vorgekommen, dass leicht zugängliche Einkaufswagen nach Geschäftsschluss zweckwidrig verwendet werden. Sie werden zum Teil für den Transport eigener Güter von Kunden mitgenommen und mit eigenen Gegenständen bestückt. Oftmals werden sie dann anschließend an Ort und Stelle oder auch andernorts stehen gelassen. Um eine solche zweckwidrige Nutzung möglichst auszuschließen, genügt es nicht, durch Vorlegen einer Kette den Anschein zu erwecken, die Entnahme eines Einkaufswagens sei nicht möglich.

Die Sicherung der Einkaufswagen durch eine abschließbare Kette wäre erforderlich und geeignet gewesen, diese Zweck widrige Nutzung zu verhindern, und fordert keinen erheblichen Aufwand. Daraus folgt dem Ergebnis, dass dem Beklagten die Beachtung der gebotenen Sicherungsmaßnahmen auch subjektiv möglich und zumutbar war, sodass die Verkehrssicherungspflicht seitens des Beklagten tatsächlich schuldhaft verletzt worden war.

Im Ergebnis war daher der Betreiber des Supermarktes zum Schadensersatz verpflichtet. Jedoch haftet auch der Kläger als Fahrer seines PKW aufgrund der von seinem Kfz ausgehenden Betriebsgefahr nach § sieben Abs. 1 StVG. Der Unfall ist bei dem Betrieb des Kfz des Klägers entstanden, § 7 Abs.1 StVG. Auf die unabwendbar Keil des Unfallgeschehens nach § 17 Abs. 3 StVG kann sich der Kläger vorliegend nicht berufen, weil der Unfall nicht durch mehrere Kfz verursacht worden ist. Letztlich kam das Gericht daher zu einer Quotelung der Ansprüche. Konkret hat der Senat des OLG Hamm die von dem Fahrzeug des Klägers ausgehende einfache Betriebsgefahr mit 20 % veranschlagt.

Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass der Schutzzweck des § 7 StVG äußerst weit zu verstehen ist. Er erfasst alle durch den Straßenverkehr geprägten Schadensabläufe (vergleiche BGH Versicherungsrecht 2005, Seite 992). Zum Gebrauch und Betrieb des Kfz gehört das Be-und Entladen, so das bei einem Wegrollen des Einkaufswagens während dieser Betriebsvorgänge ein Unfall im Sinne von § 7 StVG mit der Folge des Eintritts der jeweils vorhandenen Kfz Haftpflichtversicherung vorliegt. Mit anderen Worten, wenn ein Kunde beim Einladen seiner Waren nicht auf seinen Einkaufswagen achtet und dieser wegrollt, haftet die Kfz Haftpflichtversicherung dieses Kunden gegenüber demjenigen, der durch den wegrollenden Einkaufswagen einen Schaden erleidet.