Verteidigungsansatz bei Geschwindigkeitsverstoß: Akteneinsicht!

Viele Fälle im Verkehrsrecht drehen sich um die Verteidigung bei einem Geschwindigkeitsverstoß. Hier ist ein wichtiger Verteidigungsansatz das Vorgehen im Hinblick auf die Gewährung von Akteneinsicht.

Die Verteidigung bei einem Geschwindigkeitsverstoß muss fachkundig geführt werden. Beispielsweise kann eine Verfahrenseinstellung oder sogar ein Freispruch erzielt werden, wenn die ermittelnde Behörde nicht alle Regeln der Beweisführung vollständig einhält und die Verteidigung dies zum richtigen Zeitpunkt geltend macht.

In unserer Kanzlei wird sofort mit dem Akteneinsichtsgesuch beantragt, das unter anderem folgende Informationen von der Behörde an die Verteidigung zu übermitteln sind:

– Vollständige Messsequenz (dies bedeutet der komplette Meßfilm)

– Die Bedienungsanleitung des eingesetzten Messgerätes

– Schulungsnachweis für die Messbeamten

– Die Lebensakte, d.h. ein Beleg über sämtliche eichrelevanten Reparaturen dem Zeitraum der Eichung

– Sowie selbstverständlich Eichschein, Messprotokoll und verifizierbarer Nachweis zur Auswertesoftware.

Im Hinblick auf das Recht eines fairen Verfahrens stehen dem Betroffenen unter anderem als Recht in dem ihn betreffenden Verfahren ein Anspruch auf Einsichtnahme in die genannten Unterlagen zu. Hintergrund ist letztendlich das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, Art. 6 europäische Menschenrechtskonvention). Wenn das sogenannte „Fair Trial“ Prinzip, dass die Gewährleistung einer effektiven, eigenverantwortlichen Teilnahme am Verfahren meint, verletzt wird, kann eben nicht verurteilt werden. Sodann ist der Betroffene freizusprechen bzw. das Verfahren einzustellen. Dies wollen viele Richter, insbesondere am Amtsgericht, häufig nicht wahrhaben. Dabei gilt der genannte Grundsatz auch im Bußgeldverfahren und innerhalb eines solchen auch schon im Vorverfahren, d.h. in der Phase, in der Akteneinsicht gewährt werden muss (siehe u.a. Czierniak, ZfS 2012,664 ff.).

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte verlangt von der Verteidigung nämlich den Vortrag zu konkreten Messfehlern, bevor einem Beweisantrag nachgegangen werden muss. Ein solcher Vortrag zu Messfehlern kann aber nur erfolgen, wenn die entsprechenden Unterlagen von der Behörde an die Verteidigung geliefert werden. Absatz ist dies nicht der Fall, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der Zugriff auf Messdaten und Messunterlagen (häufig auch mithilfe eines privat zugezogenen Sachverständigen) liefert die konkreten Anhaltspunkte. Aufgrund der entsprechenden Akteneinsicht ist zunächst zu ermitteln, wie dann der Verwaltungsbehörde / Bußgeldstelle oder dem Gericht gegenüber vorgetragen wird. Erst durch diesen Vortrag wird die sogenannte Amtsaufklärungspflicht ausgelöst.

Wenn die Unterlagen nicht (fristgerecht) eintreffen, ist noch vor Erlass des Bußgeldbescheides ein Antrag nach § 62 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) auf gerichtliche Entscheidung zu stellen. Ein solcher Antrag ist übrigens nicht zu Unterbrechung der Verjährung geeignet, da nicht in § 33 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) aufgeführt. Möglicherweise kann schon durch die geschilderte Vorgehensweise ein Verjährungseintritt erreicht werden.

Werden sodann der Verteidigung die Unterlagen nicht bis zur Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt, dann muss im Hauptverhandlungstermin die Rechtsbeschwerde entsprechend vorbereitet werden. Mit einem Antrag auf Aussetzung wegen nicht vollständig gewährter Akteneinsicht ist dieser Aussetzungsantrag zu begründen. Bei Ablehnung durch den Richter ist sodann die Maßnahme im Hinblick auf § 338 Nr. 8 StPO zu beanstanden. Es ist ein Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen. Die Gehörsrüge ist als Verfahrensrüge sodann im Rechtsbeschwerdeverfahren auch bei einer Zulassungsrechtsbeschwerde möglich.