(Oranienburg) Für die Frage, ob nach einem Unfall der Führerschein verloren geht, ist in zwei Konstellationen der Begriff „Bedeutender Fremdschaden01“ von zentraler Bedeutung. Also desjenigen Schadens, der bei dem Geschädigten entstanden ist. In der ersten Fallgruppe ist es der § 69 II Nr. 3 StGB, der bei der Unfallflucht (§ 142 StGB) per Gesetz regelt, wann die Fahrerlaubnis (des Schädigers, also desjenigen der den Unfall verursacht hat) in der Regel zu entziehen ist. Weiterhin gibt es da noch den § 315c I StGB. Diese Vorschrift regelt den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und knüpft an den selben Begriff, den des „bedeutenden Fremdschadens“, um den es heute gehen soll, an. Wenn man bedenkt, dass an der Ausfüllung dieses Begriffes der Verlust der Fahrerlaubnis hängt, wundert es schon sehr, dass die einzelnen Gerichte sich hier so sehr widersprechen.
Daher also der Versuch einer verständlichen Zusammenfassung. Zunächst: Der Schaden ist in dem hier interessierenden Zusammenhang nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Es kann also durchaus von Bedeutung sein, ob der Geschädigte fiktiv (=nach Gutachten) abrechnet oder die Reparatur durchführen lässt: hiervon hängt schon einmal ab, ob die Umsatzsteuer anzusetzen ist. Diese ist bekanntlich schadensrechtlich nur von Relevanz, wenn sie auch angefallen, sprich bezahlt worden ist. Weiterhin können bei der Frage, ob die Höhe des eingetretenen Fremdschadens i.S.v. §§ 69 II Nr. 3, 315c I StGB als „bedeutend“ anzusehen ist, nur solche Schadenspositionen herangezogen werden, die zivilrechtlich auch erstattungsfähig sind. Beispielsweise wird bei gewerblich genutzten Fahrzeugen die Umsatzsteuer regelmäßig nicht zum Schadensposten (aufgrund des Umsatzsteuerjahresausgleiches), so dass die USt auch – schon denklogisch – nicht zum Teil eines „bedeutenden Fremdschadens“ in strafrechtlicher Hinsicht werden kann. Dies wird oft von Staatsanwälten und Richtern übersehen. Deshalb muss der Strafverteidiger dies herausarbeiten.
Der Maßgebliche Schwellenwert, der für die Annahme eines bedeutenden Fremdschadens anzunehmen ist, ist also im Hinblick auf das, was tatsächlich als „Schaden“ entstanden ist, genau zu betrachten. Häufig kann ein geschickter Strafverteidiger durch eine gute Argumentation hier dafür sorgen, dass das Geschehen – strafrechtlich – nicht über der Grenze des bedeutenden Fremdschadens anzusiedeln ist. Die Folge: kein Verlust des Führerscheins, kein Entzug der Fahrerlaubnis. Nun zu den Einzelheiten. Der „Bedeutende Fremdschaden“ wird von den Gerichten regional sehr unterschiedlich ausgefüllt. So sah z.B. das LG Landshut (Beschl. v. 24.9.12, A.Z. 6 Qs 242/12) die Grenze erst bei 2.500,- EUR erreicht. Das andere Extrem der Instanzgerichte: 1.000,- EUR reichen nach dem LG Gera (MDR 97, S. 381) und dem LG Köln (DAR 94, S.502) aus. Was für ein Unterschied, was für eine Differenz. Und was für ein Handlungsspielraum!
Hier wird nämlich deutlich, dass ein findiger, kreativer Strafverteidiger, indem er die einzelnen Schadensposten genau unter die Lupe nimmt, viel erreichen kann. Es geht schließlich um den Führerschein des Mandanten! Dazwischen, also zwischen den genannten Extremgrenzen, gibt es zahlreiche Entscheidungen, die den „Graubereich“ betreffen, z.B. das OLG Dresden (DAR 2005, S. 459), das von 1.500,- EUR ausgeht, ebenso das LG Hamburg (DAR 2008, S. 209), das die Schwelle in der selben Höhe ansetzt.
Strafverteidiger sollten dabei in dem Strafverfahren insbesondere folgenden Aspekt ins Spiel bringen. Der Begriff des „bedeutenden Schadens“ wird in den genannten Vorschriften der §§ 315c, 69 II Nr.3 StGB gleichgesetzt mit so hohen Rechtsgütern wie das Leben und die Gesundheit eines Menschen. Es erscheint daher plausibel und ist in der Strafverteidigung auch oft von Erfolg gekrönt, wenn der Verteidiger darauf hinweist, dass bei den verletzten Rechtsgütern beim Sachschaden doch eine vergleichbare Größenordnung an verletzten Rechtsgütern erreicht sein muss. Wenn daher der leichte Lackkratzer an einer Luxuslimousine – der leicht 2.000,- EUR laut Gutachten erreichen kann – mit einem solchen Rechtsgut der „erheblichen Gesundheitsverletzung“ (so § 69 StGB) gleichgesetzt werden soll, so kann hier nur energisch widersprochen werden. Und der Führerschein des Mandanten so gerettet werden. Zu diesem Zweck sollte der zuvor genannte Zusammenhang den Gerichten immer wieder aufgezeigt werden, um die Entziehung der Fahrerlaubnis des Mandanten (nach § 315c oder § 69 StGB) zu verhindern.