Was tut die Polizei?

Unbekannter Täter bei Straftaten im Straßenverkehr

Bei sehr vielen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr hat die Polizei zwar das amtliche Kennzeichen des beteiligten Fahrzeuges ermittelt und damit den formellen Fahrzeughalter, nicht jedoch den Fahrer. Dies reicht für eine Bestrafung des Täters jedoch regelmäßig – zumindest im deutschen Strafrecht – nicht aus. Man nennt das Schuldprinzip (als Gegenpol zur Halterhaftung).

Art der Delikte: insbesondere bei den Straftaten nach § 240 StGB (Nötigung), Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB), Trunkenheitsfahrten (§ 316 StGB) und – besonders häufig – das unerlaubte Entfernen vom Unfallort („Fahrerflucht“, § 142 StGB) führen zu Situationen, in denen der Anzeigenerstatter, zum Beispiel der Polizeibeamte, regelmäßig nur das amtliche Kennzeichen und möglicherweise eine Personenbeschreibung hat. Hieran anschließend muss sodann die Ermittlungsbehörde Ermittlungsmaßnahmen ergreifen, eine Strafverfolgung des Täters zu ermöglichen.

Die Ermittlungsbehörde wendet sich in der Regel – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – zunächst an den Halter. Dies geschieht entweder per Post, oder aber beispielsweise um einem drohenden Beweisverlust vorzubeugen, fährt die Polizei regelmäßig umgehend zu Halteranschrift. Es soll dabei ermittelt werden, ob der Halter als Fahrer in Betracht kommt. In der Praxis sieht das so aus, dass zunächst von den Polizeibeamten überprüft wird, ob die Motorhaube noch warm ist.

Sofern der Fahrer bei dieser Gelegenheit angetroffen wird, so kann dieser nicht ohne weiteres von den Polizisten werden. Es gilt das gesetzlich eingeräumte Schweigerecht (§ 136 Abs. 1 S.2 StPO) Tatvorwurf Stellung nehmen noch in der folgepolizeilichen Vorladungen Folge leisten. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte von der Polizei vor seiner ersten Vernehmung über sein Aussageverweigerungsrecht zu belehren ist (§ 136 Abs. 1 S.2 StPO). Ein Verstoß gegen diese Belehrungspflicht führt nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot (Vgl.u.a. BGH NJW 1992,1463).Hierbei ist zu beobachten, dass sehr häufig nicht korrekt nach der Vorschrift des § 136 Abs. 1 StPO belehrt wird. Sofern dies später von dem Polizeibeamten bestritten wird, erfolgt eine Auseinandersetzung im Hauptverfahren über die ordnungsgemäße Zeit der Belehrung. Hiervon hängt dann ab, ob das Beweismittel „Aussage des Beschuldigten“ verwertet werden darf. Lediglich wenn es zu einer spontanen Äußerung die der Beschuldigte von sich aus macht und die sich nicht als Antwort auf eine konkrete Frage darstellt, kann diese Äußerung später verwertet werden (vgl. unter anderem BGH NJW 1992,1463).

Wohnungsdurchsuchung bei dem Verdächtigen

Zur Ermittlung des Fahrzeugführers, zum Beispiel nach einer Trunkenheitsfahrt, dürfen gemäß § 102 StPO Durchsuchungsbeschluss angeordnet werden. Dies grundsätzlich durch den zuständigen Ermittlungsrichter. Jedoch kann unter bestimmten Voraussetzungen bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft bzw. ihre Ermittlungspersonen (Polizeibeamten) eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet werden. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt bedeutet dies, dass Gefahr im Verzug in der Form vorliegen muss, dass der Verdächtige zum Zwecke der Name einer Probezeit nach einem Arzt zugeführt werden muss, damit das Beweismittel nicht verlustig geht.

Befragung von Zeugen

Häufig ergibt sich folgende Situation. Die Polizeibeamten erscheinen an dem Wohnsitz des Halters und ihnen wird die Tür geöffnet. Sodann müssen die Beamten prüfen, ob derjenige, der erscheint, der Fahrzeugführer ist. Hier ist, zusätzlich zu dem oben Gesagten, von besonderer Bedeutung, dass Familienmitglieder gegenüber anderen Verwandten ein Zeugnisverweigerungsrecht haben (§ 52 StPO). Was viele nicht wissen: die Polizei hat mangels gesetzlicher Grundlage keine Zwangsmittel, um eine Aussage zu erzwingen. Dies bedeutet, dass den Polizeibeamten gegenüber ohne jede Begründung die Aussage verweigert werden kann. Übrigens gilt gegenüber der Polizei ein solches Schweigerecht nicht nur für Familienmitglieder, sondern beispielsweise haben auch Mitarbeiter in einem Betrieb dasselbe Recht, nämlich sich gegenüber der Polizei schlicht und ergreifend nicht zu äußern.

In Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren bezieht sich die Pflicht zur Erteilung von Informationen lediglich auf solche, die in § 111 OWiG geregelt sind. Man muss sich also lediglich zu seinem Namen, Geburtsdaten, Beruf und Wohnort äußern. Weiter geht die Verpflichtung zur Erteilung von Angaben nicht.

Die Polizei darf Wohnungen nicht betreten

Bei Ermittlungshandlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers in Ordnungswidrigkeiten Sachen darf die Polizei nicht darauf bestehen, Zutritt zur Wohnung zu erhalten. Wenn kein Durchsuchungsbeschluss vorliegt, besteht daher auf Seite des Halters keine Pflicht, die Polizeibeamten in seine Wohnung zu lassen.

Entsprechendes gilt, wenn Polizeibeamte die Räume eines Unternehmens betreten. Das Recht, sich in der Wohnung oder in den Gewerberäumen eines Betroffenen aufzuhalten, geht jedoch nur soweit, wie der ihn damit einverstanden ist (vgl. unter anderem OLG Schleswig NJW 1956,1570). Wenn beispielsweise ein Polizeibeamter ohne Vorankündigung und ohne Offenlegung seiner Absicht Geschäftsräume betritt, um dort angetroffene Personen in Augenschein zu nehmen und mit mitgeführten Beweisfotos zu vergleichen, ohne den Betroffenen zu belehren, ist das Ergebnis dieser „Ermittlung“ nicht verwertbar. Es handelt sich dann nämlich um eine unzulässige Durchsuchung von Geschäftsräumen.

Der Zeugenanhörungsbogen/Fahrerermittlung

Im Standardfall der Fahrerermittlung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren versucht die Polizei den Fahrer zu identifizieren, indem sie an die alte Anschrift einen Zeugenanhörungsbogen versendet. Diese haben den durchaus missverständlichen Wortlaut: „Sie wurden uns als Halter des Fahrzeugs benannt. Fahrzeug wurden folgende Straftaten/Ordnungswidrigkeiten begangen:“ sofern sich dieser Zeugenanhörungsbogen an ein Unternehmen, zum Beispiel an eine GmbH, berichtet, entsteht keine Verpflichtung der GmbH zur Nennung des Fahrers.

neu: Recherche über das Internet

Neuerdings versuchen Ermittlungsbeamte vermehrt, die Straftat durch eine Recherche im Internet aufzuklären. So wird beispielsweise bei Betriebsfahrzeugen ermittelt, ob der Fahrer als Geschäftsführer oder in sonstiger Position auf der Webseite des Unternehmens abgebildet ist. Auch auf soziale Werke wie zum Beispiel Facebook wird zurückgegriffen, um einen optischen Eindruck zu gewinnen, ob die abgebildete Person möglicherweise mit dem Halter oder einer mit ihm „verbundenen“ Person identisch ist.

Befragung weiterer Zeugen

Selbstverständlich ist die Polizei bei ihren Ermittlungen insofern frei, dass beispielsweise Nachbarn dazu befragt werden können, ob sie wissen, wer das Fahrzeug am Tattag oder gewöhnlich benutzt. Hieraus gewonnene Erkenntnisse können, sofern kein Beweisverwertungsverbot eingreift, grundsätzlich verwertet werden.

Ladung eines Zeugen durch die Staatsanwaltschaft

Anders als die Polizei kann die Staatsanwaltschaft einen Zeugen, von denen sie sich einen sachdienlichen Hinweis auf die Person des Fahrers erwartet, vorladen. Dann ist der Zeuge rechtlich verpflichtet, bei der Staatsanwaltschaft zu erscheinen (§ 161a Abs. 1 StPO). Erscheinen muss der Zeuge auch dann, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Sofern der Zeuge seine Pflichten (zu erscheinen und/oder zur Aussage) verletzt, kann die Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld festsetzen.

Wichtig ist jedoch zu wissen, dass der Zeuge sich im Termin bei der Staatsanwaltschaft auf sein Zeugnis Verweigerungsrecht jederzeit berufen kann (§§ 52 Abs.1, 55 StPO).

Hausdurchsuchungen

Sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird, können Hausdurchsuchungen angeordnet werden. Die gesetzliche Regelung findet sich in § 102 StPO. Bei geringfügigen Verkehrsdelikten dürfte ein solches Vorgehen jedoch unverhältnismäßig sein, da das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung in dem Grundgesetz verankert ist und auch Geschäftsräume umfasst.

Insgesamt kann gesagt werden, dass der Beschuldigte zahlreiche Mittel und Wege gibt, sich auf prozessual legale Weise vor Ermittlungsmaßnahmen zu schützen. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass eine Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) zwar grundsätzlich bei der fehlenden Ermittelbarkeit des Täters möglich ist. Diese wird aber nach Inkrafttreten des neuen Flensburger Punktesystem nicht mehr wirksam durchgesetzt. Denn der Verstoß gegen das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches führt nicht mehr zur Eintragung von Punkten in Flensburg. Es handelt sich hier also mittlerweile um ein „stumpfes Schwert“.

Insgesamt sollte sich jeder Beschuldigte folgenden einfachen Kernsatz merken:

 „ich muss nicht an meiner eigenen Verurteilung mitwirken“.

Im Zweifel sollte man sich daher gar nicht äußern und frühzeitig den Rat eines Strafverteidigers einholen.