Aggressives Verhalten und MPU

– Auch Taten im Ausland zählen!

Viele Verkehrsteilnehmer wissen es nicht: auch außerhalb des Straßenverkehrs kann ein Verhalten dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) anordnet. Wenn der Betroffene sodann die MPU nicht beibringt, kann die Fahrerlaubnis entzogen werden. Das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) hat in seinem Beschluss vom 29.10.2014 (Aktenzeichen 1L884/14. NW) einen Fall zu beurteilen gehabt, in dem die Ehefrau des Antragstellers wegen angeblich alkoholbedingter Aggressivität die Polizei gerufen hatte. Aufgrund des Polizeiberichts verlangte die Fahrerlaubnisbehörde vom Antragsteller die Vorlage eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens. Dies ist nichts anderes als die MPU. Das sodann eingeholte Fahreignungsgutachten verneinte das Vorliegen von Alkoholabhängigkeit. Die Fahrerlaubnisbehörde meinte aber, dem Gutachten Anzeichen für Alkoholmissbrauch entnehmen zu können und versagte die Fahrerlaubnis.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren obsiegte sodann der Antragsteller. Im wesentlichen hat das Verwaltungsgericht Neustadt festgestellt, dass ein fahrerlaubnisrelevanter Alkoholmissbrauch nur dann vorliege, wenn zwischen einem übermäßigen, die Fahreignung einschränkenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Fahrzeuges nicht hinreichend sicher getrennt wird (vgl. Anlage vier zur Fahrerlaubnisverordnung, Ziffer 8.1). Anhaltspunkte für eine solche Situation liegen vor, wenn zu einer hohen Alkoholgewöhnung verkehrsbezogene Umstände hinzutreten, sodass zumindest ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr besteht. Die schlichte Feststellung in einem ärztlichen Gutachten, das Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch vorliegen, ersetzt nicht die Prüfung durch die Fahrerlaubnisbehörde, ob im Einzelfall ausreichende verkehrsbezogene Zusatztatsachen festzustellen sind. Das Gericht folgerte, dass die Fahrerlaubnisbehörde nicht berechtigt gewesen sei, die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern.

An dem Fall ist deutlich zu erkennen, dass manche Fahrerlaubnisbehörden dazu neigen, den fahrerlaubnisrechtlichen Begriff des Alkoholmissbrauchs nicht scharf genug von demjenigen des medizinischen Begriffs des Alkoholmissbrauchs zu trennen. Der fahrerlaubnisrechtliche Begriff des Alkoholmissbrauchs setzt voraus, dass der Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen andererseits nicht strikt genug getrennt werden. Wer im landläufigen Begriff „Alkoholiker“ist, begeht nicht zwingend Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn. Sofern aber die Fahrerlaubnis entzogen werden soll, müssen nach dem ärztlichen Gutachten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene zukünftig den Genuss von Alkohol und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr nicht trennen wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Betroffene im ärztlichen Gutachten Angaben zu seinem trink-und anschließenden Verhalten gemacht hat, das darauf schließen lässt, dass er deutlich mehr trinkt als gesellschaftlich üblich und er sich der Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr nicht bewusst ist oder diese verharmlost oder sogar bereits unter dem Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen hat. Wenn all dies jedoch nicht der Fall ist, darf die Verwaltungsbehörde auch nicht auf Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges schließen und die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung einer MPU abhängig machen.

Übrigens kann auch eine Trunkenheitsfahrt im Ausland dazu führen, dass die Verpflichtung zur Beibringung einer MPU wirksam angeordnet wird. In einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschluss vom 30.11.2014 – Aktenzeichen 16B694/14) war der Antragsteller in Polen wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,8 Promille verurteilt worden. Die deutsche Fahrerlaubnisbehörde nahm dies zum Anlass, von ihm die beiden Anbringung eines Fahreignungsgutachtens (MPU) zu verlangen. Nachdem der Antragsteller dem nicht nachgekommen war, entzog die Fahrerlaubnisbehörde ihm die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Der Antragsteller unterlag mit seinem Antrag. Das Gericht begründete, dass eine im Ausland begangene Straftat, an die fahrerlaubnisrechtliche Folgen geknüpft werden, grundsätzlich nach den für Inlandstaten geltenden Maßstäben feststehen muss. Wenn dies der Fall ist, kann die Aufforderung zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens rechtmäßig sein.

Diese Entscheidung ist ein gutes Beispiel dafür, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden für fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen inzwischen oft Verurteilungen ausländischer Strafgerichte zu Grunde legen. Das liegt zum einen daran, dass die Rechtshilfe in der Europäischen Union deutlich verbessert wurde und zum anderen daran, dass die rechtliche Qualität der die Auslandstaten Aburteilungen Entscheidungen deutlich gestiegen ist.

In der Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist mittlerweile anerkannt, dass auch Zuwiderhandlungen im Ausland Anlass für die Anordnung zur Beibringung einer MPU sein können, wenn diese nach inländischen Maßstäben hinreichend sicher nachgewiesen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn Angaben zum Tatzeitpunkt, zu den anschließend getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Blut-oder Atemalkoholkonzentration und zum Messgerät vorliegen. Beispielsweise hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 7.10.2014 (Aktenzeichen 11 C 14. 1809) diese Auffassung bestätigt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung war im hier besprochenen Fall nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, da nach dem deutschen Gericht nicht mit letzter Gewissheit angenommen werden konnte, dass die einschlägigen Grenzwerte tatsächlich erreicht worden seien. Zwar sei zutreffend, dass im Recht der Gefahrenabwehr an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je höher das jeweils gefährdete Rechtsgut einzustufen ist. Hier geht es also um Leib und Leben von anderen Verkehrsteilnehmern. Dennoch muss die Fahrerlaubnisbehörde von dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der von ihr in Bezug genommenen Eingriffsnorm für den fraglichen Eingriff, nämlich die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens, überzeugt sein. Das gleiche gilt für ein Verwaltungsgericht. Am Vorliegen dieser zuletzt genannten Voraussetzungen fehlt es, wenn das Erreichen der einschlägigen Grenzwerte nicht tatsächlich feststeht.