Das Thema Verkehr und E-Scooter wird erwartungsgemäß immer spannender. Häufig geht es um den Führerschein, genauer gesagt um die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Bei einem E-Scooter handelt es sich um ein Kraftfahrzeug, das hatten wir bereits erörtert. Sie denken, dann ist ja alle klar hinsichtlich der Konsequenzen? Schauen wir doch einmal genauer hin. Kurz zur Erinnerung: die Einstufung als KfZ wird von vielen Verkehrsteilnehmern unterschätzt. Diese Einstufung bedeutet, dass ab einem Grenzwert von 0,5 Promille das Fahrzeug nicht mehr bewegt werden darf. Anders, als ein Fahrrad übrigens.
Ab 1,1 Promille liegt bei der Fahrt mit einem e-Scooter eine Straftat vor (§ 316 StGB, Trunkenheit am Steuer). Soweit gibt es keine Abweichenden Auffassungen in der Rechtsprechung.
Nun kommt es aber in der Rechtsprechung zu interessanten Fragen dazu, ob denn die Entziehung der Fahrerlaubnis in diesen Fällen ebenso der Regelfall sein soll, wie es bei einem Pkw der Fall ist. Hierzu hat – unter anderem – das Landgericht Halle an der Saale in seinem Beschluss vom 16.7.2020 (Aktenzeichen 3 Qs 81/20) eine interessante Entscheidung gefällt. Und zwar ging es um die Frage, ob im Vorfeld des Hauptverfahrens eine Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) erfolgen soll.
Dies wurde verneint. Es wird, aus meiner Sicht richtig, folgendes festgestellt. Selbst wenn von einem Grenzwert von 1,1 Promille auszugehen wäre, so dass der Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB erfüllt wäre, da der dringende Verdacht besteht, dass der Beschuldigte den E-Scooter zum Tatzeitpunkt mit einer BAK von mindestens 1,27 Promille gefahren hat und seine Fahruntüchtigkeit zumindest billigend in Kauf nahm, so kommt doch ein Absehen von der Regelwirkung des § 69 Absatz 2 Nr 2 StGB in Betracht.
Entgegen dieser Regelvermutung kann bei einer Verwirklichung des § 316 StGB von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die den seiner allgemeinen Natur nach schweren und gefährlichen Verstoß günstiger erscheinen lassen, als den Regelfall. Dies sei vorliegend bei einem E-Scooter der Fall. Weiter wird zur Begründung ausgeführt, dass das Gefahrenpotential bei der Fahrt mit einem e-Scooter eher mit dem eines Fahrrades vergleichbar sei, so dass eine Gleichbehandlung mit einem Autofahrer nicht angemessen wäre.
Aufgrund dieser Parallelität hinsichtlich des Gefährdungspotentials zwischen E-Scootern und Fahrrädern ist bei der Anwendung des § 69 StGB im Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt grundsätzlich zu berücksichtigen, dass eine möglicherweise strafbar Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad gerade nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 nach sich zieht und insoweit, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, Wertungswidersprüche entstehen können. Insofern kann nach Auffassung des Gerichtes nicht ohne weiteres von der Regelvermutung des § 69 Absatz 2 Nummer 2 StGB ausgegangen werden. Vielmehr wird bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem e-Scooter in aller Regel zu prüfen sein, ob daraus auf eine Verantwortungslosigkeit des Beschuldigten geschlossen werden kann, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit einem PKW vergleichbar ist und von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden muss.
In dem vorliegend entschiedenen Fall gibt es, jedenfalls nach Auffassung des Gerichtes, keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte durch seine höchstwahrscheinlich begangene Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter eine in irgendeiner Form gegenüber den abstrakten Gefährdungspotential erhöhte Gefährdungslage geschaffen hat.
Hier sollten Sie, wenn Sie von einem solchen Verfahren betroffen sind, somit einhaken. Denn auch wenn eine Verurteilung nicht verhindert werden kann, kann möglicherweise die Folge für den Führerschein abgewendet werden.