Kein Vorsatz trotz hoher BAK (=Blutalkoholkonzentration)

Es muss kein Vorsatz bei hoher Blutalkoholkonzentration vorliegen. Die Frage der Begehungsform (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) ist im Strafverfahren in mehrfacher Hinsicht von maßgeblicher Bedeutung.

Ob im Rahmen einer Alkoholstraftat nach § 315c und auch § 316 Strafgesetzbuch (StGB) vorsätzlich oder lediglich fahrlässig gehandelt worden ist, ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Im Bereich des Strafrechts hängt hiervon die Höhe der auszuurteilenden Strafe ab. Das gleiche gilt hinsichtlich der Dauer der Entziehung der Fahrerlaubnis. Aber auch im Hinblick auf das Eingreifen der Rechtsschutzversicherung wirkt sich die Begehungsform (also Fahrlässigkeit oder Vorsatz) darauf aus, ob der Rechtsschutzversicherer des Betroffenen überhaupt für die Verfahrenskosten einschließlich der Rechtsanwaltsgebühren aufkommen muss. In der Praxis gestaltet sich dies so, dass zunächst eingetreten wird, für den Fall der Verurteilung wegen Vorsatzes jedoch ein Rückforderungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer entsteht.

Jedenfalls lohnt es sich für den Betroffenen, sich dafür einzusetzen, dass seine Verurteilung nur wegen einer fahrlässigen Tat erfolgt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das zum Erreichen dieses Ziels vorgebrachte Verteidigungsvorbringen auch fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen haben kann. Denn liegen bei dem Mandanten nur geringe oder gar keine Ausfallerscheinungen trotz hoher Blutalkoholkonzentration vor, kann die Fahrerlaubnisbehörde hieraus schließen, dass eine Alkoholproblematik vorliegt, die wiederum zu weiteren Maßnahmen führen kann.

Zunächst ist aber Voraussetzung für eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest gerechnet und sich damit abfinden. Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit zumindest für möglich hält und sich mit ihr abfindet oder aber billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellen Anforderungen nicht mehr genügt (BGH NJW 2015,1834). Überschreitet die Blutalkoholkonzentration des Fahrzeugführers die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit, stellt dies einerseits ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handels dar. Auf der anderen Seite liegen aber keine absoluten Grenzwerte vor, denn diese sind keine Tatbestandsmerkmale, sondern Beweisregeln.

Der Erfahrungssatz spricht daher zwar für vorsätzliches Handeln, wenn dem Fahrzeugführer eine hohe Blutalkoholkonzentration nachgewiesen worden ist. Denn er weiß im Allgemeinen, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, weshalb sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt. Dies führt aber nicht zwingend zu der Annahme, dass bedingter Vorsatz vorliegt. Denn es gibt keinen naturwissenschaftlichen oder medizinisch gesicherten Erfahrungsschatz, dass derjenige, der seine absolute Fahruntüchtigkeit durch Alkoholgenuss herbeiführt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die auf ein vorsätzliches Handeln schließen lassen. Diese Erkenntnis hatte auch das OLG Stuttgart in einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 bereits manifestiert (NZV 2011,412). Wenn solche weiteren Umstände nicht gegeben sind, sich also aus der Ermittlungsakte keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Betroffene z.B. durch eine besonders vorsichtige Fahrweise auffällig geworden ist, auf Schleichwegen gefahren ist, oder auch bislang nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist, kann nicht ohne weiteres auf Vorsatz geschlossen werden. Auch wenn das in der Akte befindliche Protokoll die Feststellung enthält, dass der Betroffene äußerlich lediglich leicht unter Alkoholeinfluss stand, kann u.U. nicht ohne weiteres von vorsätzlichem Handeln ausgegangen werden.

Die Verteidigung hat in solchen Fällen die entsprechenden Merkmale herauszustellen und, zumindest in strafrechtlicher Hinsicht, eine Verurteilung wegen einer Fahrlässigkeitstat anzustreben.