Es gibt in Deutschland (noch) keine Helmpflicht für Radfahrer. Wenn es dann aber zu einem Unfall kommt und um die Ansprüche (Schmerzensgeld usw.) gestritten wird, stellt sich häufig folgende Frage. Kann es Mitverschulden wegen des nicht getragenen Fahrradhelms geben?
Wie fahren Sie Fahrrad? Mit oder ohne Helm? Für die Einen ist ein Kopfschutz störender Ballast, für die Anderen gehört er zur Sicherheit beim Radfahren dazu. Ein Team der Universität München untersuchte 543 Unfälle verletzter Fahrradfahrer. 117 von ihnen verletzen sich bei diesen Unfällen tödlich. Nur sechs von ihnen hatten einen Helm auf. Die Todesursache war überwiegend ein Schädel-Hirn-Trauma (Quelle: Süddeutsche Zeitung › Home › Gesundheit › Fahrrad › Radfahren: Mit oder ohne Helm, v. 11. Oktober 2015). Trotzdem ist es jedem Radfahrer selbst überlassen, ob er einen Helm tragen möchte oder nicht. Denn in Deutschland besteht aktuell keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer. Auch Experten sind sich mehrheitlich einig: Fahrradhelme schützen zwar vor schweren Kopfverletzungen, verhindern aber keine Unfälle.
Doch wie ist es bei Verkehrsunfällen zwischen Fahrrad- und Kraftfahrzeugfahrern? Trägt der Fahrradfahrer bei schweren Kopfverletzungen eine Mitschuld wegen des fehlenden Schutzhelms? Mit dieser Frage hatte sich das Kammergericht Berlin (Beschluss v. 16.10.2024, 25 U 52/24) zu beschäftigen.
In Berlin wurde im Jahr 2022 eine Radfahrerin im Bereich eines Fußgängerübergangs von einem Autofahrer angefahren. Dadurch wurde sie schwerst verletzt. Ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Fraktur des Schädels sowie der Oberschenkel und des Schlüsselbeins waren die schmerzhafte Folge. Da allein der Kraftfahrzeugführer den Unfall verursacht hatte, wurde der Klage der Radfahrerin im Prozess vor dem LG Berlin II (Landgericht für Zivilsachen) auf Schadenersatz und Schmerzensgeld entsprochen (Az.: 50 O 213/23, v. 10.04.2024). Da Folge- oder Spätschäden bei so schweren Verletzungen nicht ungewöhnlich sind, klagte die Radfahrerin auch darauf. Sie ließ feststellen, dass der Unfallverursacher und seine Haftpflichtversicherung für zukünftige, aus dem Unfall resultierende Schäden ebenfalls haften müssen.
Der Fahrer des Pkw war mit diesem Urteil nicht einverstanden und legte Berufung ein. Er wollte seine Haftung begrenzen und sah vielmehr ein Mitverschulden der Radfahrerin gemäß § 9 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen. Nach Auffassung des Pkw-Fahrers wären so erhebliche Verletzungen gar nicht erst möglich gewesen, wenn die Radfahrerin zur Vermeidung solcher Verletzungen einen schützenden Helm getragen hätte.
Die Berufung des Pkw-Fahrers wurde gemäß § 522 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung) wegen fehlender Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen. Die Richter des Kammergerichts Berlin stimmten dem Urteil der Vorinstanz (LG Berlin II) zu. Sie sahen allein im Umstand, dass die Klägerin keinen Fahrradhelm getragen hat, keine Erhöhung der Mitschuld.
Und bei genauer Betrachtung ist das auch richtig. DENN: alles andere würde dann doch zu einer „Helmpflicht durch die Hintertür“ führen.
Dr. Henning Hartmann
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht