rote Ampel-Augenblicksversagen: Kein Fahrverbot

Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten kann der Führerschein in Gefahr sein. Und zwar ab einer bestimmten „Schwere“ des Verstoßes in Form eines Fahrverbotes. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit drastisch überschritten worden ist, oder, und darum soll es in diesem Beitrag gehen, bei einem Rotlichtverstoß. Dies allerdings nur dann, wenn das Rotlicht länger als eine Sekunde angedauert hat, dann spricht man nämlich von einem sogenannten „qualifizierten Rotlichtverstoß“ (bei kürzerem Rotlicht ist es nur ein „einfacher“ Rotlichtverstoß). Geregelt ist dies in Nr. 132.3 des Bußgeldkataloges (BKatV). Bei einem solchen Verstoß ist die Regelbuße nicht nur die Zahlung von € 200,-, sondern eben auch ein einmonatiges Fahrverbot.

Dieses Fahrverbot ist der vorgesehene REGELFALL. Und, wie das Wort schon sagt: Keine Regel ohne Ausnahme. Eine solche Ausnahme kann dann vorliegen, wenn der Betroffene sich auf ein sogenanntes AUGENBLICKSVERSAGEN berufen kann. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Konstrukt des Augenblicksversagens besagt, dass der Verstoß zwar verwirkt wurde, er sich aber nicht derart gravierend darstellt, dass er die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt. Mit anderen Worten sind hier Fälle gemeint, die bei leichter Unaufmerksamkeit „mal passieren“ können.

Bei dem Überfahren von roten Ampeln wird dieser Gedanke insbesondere dann angewendet, wenn in der Situation des Rotlichts eine derart unübersichtliche Situation bestand, dass das Übersehen des Rotlichts sich als entschuldbar darstellt.

Das OLG Bamberg hatte am 10.8.15 über eine Situation vor dem Hintergrund des Augenblicksversagens zu entscheiden, die sich äußerst häufig im Straßenbild ergibt. Die für den fließenden Verkehr geltende Ampel war auf „rot“, die in gleicher Fahrtrichtung führende Fußgängerampel strahlte jedoch „grün“ ab. Das Amtsgericht als Ausgangsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichtes im Falle des qualifizierten Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von € 400,- verurteilt, von dem im Bußgeldbescheid noch angeordneten Fahrverbot von einem Monat aber abgesehen, eben wegen des Vorliegens eines Augenblicksversagens. Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein, so dass das OLG zu entscheiden hatte.

Und das OLG Bamberg hob das Urteil auf. Eine Verwechslung der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage mit dem Grünlicht der in gleiche Richtung führenden Fußgängerampel rechtfertige regelmäßig NICHT den Wegfall des wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes verwirkten Fahrverbotes unter dem Gesichtspunkt des Augenblicksversagens. Denn ein solches Augenblicksversagen, welches ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, scheide in Fällen grober Pflichtwidrigkeit von vornherein aus. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 43, S. 241) führte das Gericht aus, dass im Falle der Verwechslung einer Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Ampel schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden könne. Denn es handele sich bei der Verpflichtung zur Unterscheidung einer Fußgängerampel und der für den Kraftfahrer maßgeblichen Ampel um eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer In jeder Lage ohne weiteres bewältigen muss. Eine derartige Verwechslung lässt, wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten, nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betroffenen zu, bei der ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht gerechtfertigt ist. Nach alledem war die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft auf das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mitsamt der Kostenentscheidung aufzugeben. Wegen der Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu einer neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (335 StPO i.V.m § 79III S.1 OWiG).

Man sieht, bei der Frage nach dem Vorliegen eines Augenblicksversagens ist ein besonders genaues Hinschauen erforderlich.