Eine gute Nachricht für alle Verteidiger in Blitzerfällen. Es gibt ein neues, sehr wichtiges Urteil. Erkannt wurde auf mehr Transparenz im Bußgeldverfahren. Der Verfassungsgerichtshof Baden-Wprttemberg stärkt die Verteidigungsrechte.
Am 27. Januar 2025 hat der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. 1 VB 11/23) ein wegweisendes Urteil gefällt: Das Gericht stellte klar, dass Betroffenen in Bußgeldverfahren bei dem Vorwurf Geschwindigkeitsverstoß („Blitzerfälle“) ein umfassender Anspruch auf Einsicht in alle relevanten Mess- und Gerätedaten zusteht – auch dann, wenn diese nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind.
Der Fall betraf eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h. Die Bußgeldbehörde verhängte 160 Euro Bußgeld sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Der Betroffene beantragte über seinen Verteidiger u.a. die digitale Messreihe, Wartungsnachweise sowie die Eichunterlagen des Messgeräts. Diese wurden – mit Verweis auf interne Praxis und angeblich fehlende Relevanz – verweigert. Auch das Amtsgericht Stuttgart sowie das OLG Stuttgart wiesen die Einsprüche zurück.
Doch der Verfassungsgerichtshof griff korrigierend ein:
Das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) umfasst auch das Recht auf Zugang zu solchen Unterlagen, die für die effektive Verteidigung von Bedeutung sein können – unabhängig davon, ob sie sich in der Bußgeldakte befinden.
Besonders brisant: Weder Amts- noch Oberlandesgericht hatten zwischen einem klassischen Beweisantrag und einem bloßen Informationszugangsanliegen differenziert. Das aber ist nach Ansicht der Verfassungsrichter verfassungswidrig – denn die Interessen des Betroffenen in der Verteidigung reichen regelmäßig über die Aufklärungspflichten des Gerichts hinaus.
Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
• Verteidiger müssen vollständige Einsicht in alle relevanten Messdaten verlangen können, auch wenn diese Daten nicht standardmäßig in der Akte enthalten sind.
• Bußgeldgerichte dürfen Verfahren nicht fortsetzen oder abschließen, bevor diese Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden – sofern sie existieren.
• Die Ablehnung von Einsichtsanträgen muss sorgfältig begründet und differenziert geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf das Recht auf eine effektive Verteidigung.
Fazit
Das Urteil stärkt die Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren deutlich – insbesondere bei standardisierten Messverfahren, in denen häufig technische Parameter zentral sind. Wer sich gegen einen Bußgeldbescheid wehren möchte, sollte frühzeitig anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen, um seine Verteidigungsrechte vollumfänglich durchzusetzen.