Die Mitarbeiterin eines Berliner Unternehmen siegt vor Gericht gegen Auflage eines Fahrtenbuchs. Das Gericht: die Behörde muss nicht nur zeitnah, sondern auch zeitgemäß ermitteln.
Im folgenden Fall (VG Berlin – Az.: 37 K 11/23 – Urteil vom 26.06.2024) ging die Mitarbeiterin eines Berliner Unternehmens gegen die angeordnete Auflage zum Führen eines Fahrtenbuchs wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes vor. Die Mitarbeiterin siegte vor Gericht, weil die Behörden nicht zeitgemäß ermittelt hatten. Doch der Reihe nach…
Der eine oder andere von Ihnen hat es vielleicht schon selbst oder im Freundes- oder Bekanntenkreis erlebt: Sie erhalten von der Polizei die Nachricht, einen Geschwindigkeitsverstoß und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Mit dabei liegt ein Anhörungsbogen, auf dem Sie sich zu dem Vorwurf äußern können (jedoch aus verkehrsrechtsanwaltlicher Sicht bitte niemals äußern werden!).
Im vorliegenden Verfahren ging es um das Fahrzeug eines Unternehmens, das eine Mitarbeiterin und spätere Klägerin regelmäßig fährt. Das Fahrzeug wurde in Berlin-Marzahn / Alt-Biesdorf Richtung Alt-Friedrichsfelde mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h (nach Abzug der Toleranz) von einem Messgerät erfasst. Zulässig war dort eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Die Klägerin teilte der Polizei mit dem Anhörungsbogen vom 3. Juli 2019 mit, dass sie den Verkehrsverstoß nicht zugibt und ebenso keine Angaben zu dem Fahrzeugführer macht. Ermittlungen, den Geschäftsführer des Unternehmens, dem die Fahrzeuge gehören, vorzuladen, blieben erfolglos. Auch eine Kollegin der Klägerin konnte keine Angaben zum Führer des Fahrzeugs für den Tattag machen. Daraufhin wurde das angestrebte Owi-Verfahren am 26. Juli 2019 eingestellt.
Am 11. Oktober 2019 teilte die Straßenverkehrsbehörde der Klägerin schriftlich mit, eine Fahrtenbuchauflage anzustreben, um sicherzustellen, dass bei etwaigen zukünftigen Verstößen der Fahrzeugführer eindeutig identifiziert werden kann. Am 8. November 2019 erhielt die Klägerin den endgültigen Bescheid, für ein Jahr ein Fahrtenbuch führen zu müssen. Die Klägerin legte dagegen Widerspruch ein. Dieser wurde jedoch zurückgewiesen, sodass der Fall vor Gericht landete. Der Klägerin wurde recht gegeben: das Verwaltungsgericht hob den Bescheid über die Fahrtenbuchauflage auf.
Zur Begründung des Urteils hieß es vom Gericht, dass keine Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO, § 31a) vorlag. Vielmehr hätten brauchbare Frontfotos vorgelegen, die den Fahrer hätten durch eine einfache Google-Suche feststellen können – dem Gericht gelang dies in einer Zeit von unter 5 Minuten. Die Behörden seien verpflichtet, alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den Fahrer des Fahrzeuges zu ermitteln. Dazu würden in der heutigen Zeit auch einfachste Internetrecherchen gehören, wie ein Unternehmen oder Fotos zu googeln. Dies nicht zu tun, untergräbt nach Ansicht des Gerichts den Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz sowie die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 160 Strafprozessordnung). Zum Schluss mahnte das Gericht, dass es sich bei Fahrtenbuchauflagen um eine präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr und nicht um eine Bestrafung des Fahrzeughalters wegen fehlender Mitwirkung handeln muss.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn auch Sie einmal eine Fahrtenbuchauflage erhalten sollten, eröffnet dieses Urteil neue Wege, sich dagegen zu wehren. Denn mit dem Urteil – Az.: 37 K 11/23 – vom 26.06.2024 – hat das Gericht zeitgemäß den Anspruch an die behördlichen Ermittlungsschritte vor der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage deutlich erhöht. Und das wiederum stärkt die Rechte von Fahrzeughaltern gegen voreilige Auflagen von Fahrtenbüchern. Für eine professionelle Verteidigung in Bußgeldverfahren von Anfang an kontaktieren Sie gern unsere Verkehrsanwälte.
Rechtsanwalt Dr. Henning Karl Hartmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV).